Mittwoch, 24. April 2024
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Türkei: Schwuler Schiedsrichter gewinnt vor Gericht

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Der türkische Fußballverband (TFF) muss dem Schiedsrichter Halil İbrahim Dinçdağ eine Entschädigung zahlen. Er hat geklagt, weil der Verband seine Schiedsrichter-Lizenz nur deshalb zurückgezogen hat, weil er schwul sei.

Der Fall geht bis in den Oktober 2008 zurück. Da wurde der 1976 geborene Dinçdağ zur türkischen Armee eingezogen. Dort outete er sich als schwul – was zu einer Ausmusterung wegen „psychosexueller Störungen“ führte. Doch es ruinierte auch seine hoffnungsvolle Karriere als Schiedsrichter.

Denn Personen, die aus gesundheitlichen Gründen keinen Militärdienst ableisten können, dürfen in der Türkei nicht als Schiedsrichter tätig sein. Der Fußballverband seiner Heimatregion Trabzon forderte daraufhin die militärischen Unterlagen von Dinçdağ an – und suspendierte ihn.

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Offiziell geschah dies aufgrund seiner mangelnden Fitness. Doch Dinçdağ vermutete, dass seine Homosexualität der Grund für das Ende seiner Schiedsrichterkarriere sei. Er ging in die Öffentlichkeit, was in der Türkei zu einer lebhaften Diskussion über Homosexualität in einer männerdominierten Sportart wie Fußball führte.

In Deutschland wurde er für sein Engagement gefeiert: So bekam Dinçdağ 2014 in Berlin aus den Händen des damaligen Bürgermeisters Klaus Wowereit den „Respektpreis“ des Bündnisses gegen Homophobie. Anders in der Türkei. Dort verlor er sogar seinen Job als Radiomoderator. Er musste nach Istanbul umziehen, wo die Anonymität der Großstadt ihm etwas mehr Schutz bietet. In den türkischen Medien wurde er wegen seiner Homosexualität oft negativ dargestellt. Auch erhielt Dinçdağ mehrfach Morddrohungen, weil er von seiner Forderung nicht abrückt, wieder Verbandsspiele pfeifen zu dürfen.

Dinçdağ klagte den türkischen Fußballverband auf Schmerzensgeld und Schadenersatz. „Ich denke, dass ich gewinne. Und dann wird es für alle leichter“, so der Ex-Schiedsrichter damals. Angst habe er keine. „Nicht mehr. Schlimmer kann es ja nicht werden“, erklärt er.

Nun gibt es ein erstes Urteil: Das Gericht in Istanbul hat den TFF zur Zahlung einer Entschädigung in der Höhe von 23.000 türkischen Lira, umgerechnet etwa 7.200 Euro, verurteilt. Dieser Betrag ist bedeutend niedriger als die Forderung von Dinçdağs Anwälten. Sie forderten 110.000 Lira, umgerechnet etwa 34.500 Euro.

Trotzdem ist die Entscheidung des Gerichts ein wichtiger Schritt für den Umgang der Türkei mit Homosexualität: Denn das Urteil hat Signalwirkung für den Umgang der Gerichte mit gleichgeschlechtlich liebenden Menschen. Auch Dinçdağ selbst bezeichnet die Entscheidung des Gerichts in einer ersten Reaktion als „Sieg für die LGBT-Community“. Ob sich langfristig auch das Bild in der Gesellschaft – und dem türkischen Fußball – ändert, wird die Zukunft zeigen.

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