Mittwoch, 24. April 2024
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Wirtschaft statt Menschenrechte: Österreich eröffnet Botschaft in Weißrussland

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Österreich wird eine Botschaft in Weißrussland eröffnen: Diese werde die Lage österreichischer Unternehmen dort stärken, so der Generalsekretär des Außenministeriums, Michael Linhart in einer Aussendung. Botschafter in der Hauptstadt Minsk wird der Diplomat Alexander Bayerl. Die Eröffnung ist nicht unumstritten: Das Land gilt als letzte Diktatur Europas – und unterdrückt auch Lesben und Schwule massiv.

Ein Land, dass Schläger Schwule fast ohne Strafe verprügeln lässt

Das zeigt zum Beispiel der Fall von Michail Pischtschjewskij deutlich: Er war im Mai 2014 auf dem Weg nach Hause von einem Schwulenclub in Minsk. Da beschimpfte Dmitrij L. den 33-Jährigen, weil er schwul war. Kurz danach schlug er von Sinnen auf sein Opfer ein.

Im Krankenhaus mussten die Ärzte Pischtschjewskij mehrmals wegen seiner Gehirnblutungen operieren und dabei ein Fünftel seines Gehirns entfernen. Aus dem Koma wachte er nicht mehr auf. Mehr als ein Jahr nach der Tag starb Pischtschjewskij an seinen schweren Verletzungen.

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Der Täter wurde nicht wegen eines Hassverbrechens angeklagt: Die Staatsanwaltschaft in Minsk klagte ihn nur wegen „unabsichtlich zugefügter schwerer Körperverletzung“ vor Gericht, obwohl er auch vor der Polizei sein homophobes Motiv wiederholte.

So wurde Dimitrij L. zu umgerechnet 7.500 Euro Schmerzensgeld für Michail Pischtschjewskij, 3.000 Euro für dessen Mutter und zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt – und wurde nach nur einem Drittel der Haftstrafe begnadigt.

Ein Präsident, der lieber ein Diktator ist als schwul

In die Schlagzeilen kam auch eine Äußerung des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko im März 2013: Nachdem erunter anderem auch den EU-Botschafter aus dem Land geschmissen hat, bezeichnte ihn der damalige deutsche Außenminster Guido Westerwelle als „letzten Diktator Europas“. Lukaschenkos Replik: „Ich habe gedacht: Es ist besser, ein Diktator zu sein als schwul.“

Ein Jahr zuvor soll er Westerwelle bei einem Besuch in Weißrussland „Auge in Auge“ geraten haben, ein „normales Leben“ zu führen. Zwar habe sich Lukaschenko später bei Westerwelle entschuldigt, blieb aber bei seiner Meinung, Schwule nicht leiden zu können.

Repressionen, Verhaftungen und ein Gesetz gegen „Homo-Propaganda“

In den Jahren 2010 und 2011 wurden auch weißrussische Schwulenaktivisten verhaftet: Im Oktober 2010 wurde Sergej Praded, einer der Mitbegründer der Website gaybelarus.by, verhaftet, nachdem er offenbar zu lange mit einem Polizisten über die Rechtmäßigkeit einer LGBT-Demonstration diskutiert hat.

Acht Monate später endete ein Flashmob am Tag gegen Homophobie für 15 Aktivisten vorübergehend in Polizeigewahrsam. Sie wurden von in Beamten in Zivil verhaftet, als sie Flugzettel verteilen wollten.

In den letzten Jahren wurde der Kurs der Poitik gegen sexuelle Minderheiten schärfer: Im Februar 2013 gab es schließlich eine Razzia gegen Lesben- und Schwulenbars in Minsk, zehn Monate später wurde eine Demonstration von LGBT-Aktivisten untersagt.

Weiters plant Russland ein Gesetz, dass „Homo-Propaganda“ nach russischem Vorbild verbieten soll. „Equal Rights Trust“ (ERT) hat in den letzten Monaten auch eine Zunahme homophober Äußerungen in den weißrussischen Medien registriert. Diese werden vom Staat kontrolliert. Einige der Berichte haben zu Gewalt gegenüber Lesben und Schwulen angestiftet oder Homosexualität mit Pädophile verglichen.

Menschenrechte spielen keine Rolle, wenn der Rubel rollt

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Österreich eine Vorreiterrolle einnimmt, wenn es darum geht, Weißrussland bei der Europäischen Union salonfähig zu machen. Das bekräftigte auch Außenminister Sebastian Kurz von der ÖVP bei einem Besuch in Minsk im Juni 2015.

Vier Monate später folgten ihm Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl und Vertreter 30 österreichischer Firmen zu einer „Marktsondierungsreise“. Unter den Mitreisenden war auch der zweite Nationalratspräsident, Karlheinz Kopf von der ÖVP. Er betonte damals, man dürfe nicht „mit dem erhobenen Zeigefinger“ über das Land urteilen.

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