Samstag, 20. April 2024
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Deutschland nimmt ersten schwulen Tschetschenen auf

Humanitäres Asyl wird nur in Ausnahmefällen genehmigt - noch drei weitere Tschetschenen könnten nach Deutschland kommen

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In Deutschland hat zum ersten Mal ein schwuler Mann aus Tschetschenien humanitäres Asyl erhalten. Das berichtet der Berliner „Tagesspiegel“ unter Berufung auf das Außenministerium. Der Mann sei am Dienstag in Deutschland eingetroffen, mindestens drei weitere Fälle würden geprüft. „Wir sind froh, dass wir in besonders schwierigen Fällen helfen können“, so ein Sprecher des Ministeriums.

Deutsche Botschaft in Moskau prüfte den Fall des Mannes ausführlich

Ein humanitäres Visum wird sowohl in Deutschland als auch in anderen EU-Ländern nur in Ausnahmefällen ausgestellt. Diese Aufenthaltserlaubnis „aus dringenden humanitären Gründen“ wird Personen erteilt, die noch im Ausland sind. Bevor über die Anträge entschieden wird, werden die Männer in der Deutschen Botschaft in Moskau ausführlich angehört. Dass die deutschen Behörden in diesem Fall grünes Licht für eine Aufnahme gaben, zeigt, wie ernst die Bundesregierung die Verfolgung von Homosexuellen in der russischen Teilrepublik nimmt.

Weitere Aufnahmen sollen nach Rücksprache mit der zuständigen Ausländerbehörde erfolgen. Neben Deutschland haben auch schon Litauen als erstes EU-Land und Frankreich verfolgte Schwule aus Tschetschenien aufgenommen. Aus Österreich ist kein derartiger Fall bekannt.

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Seit April wurden schwule Männer in Tschetschenien systematisch verfolgt

Wie die unabhängige russische Zeitung „Nowaya Gaseta“ im April erstmals berichtete, wurden schwule Männer in Tschetschenien, einer autonomen Teilrepublik im Süden Russlands, vermutlich seit Dezember gezielt verschleppt und gefoltert. Etliche sollen diese Qualen nicht überlebt haben. Öffentlich bestreitet Staatschef Ramsan Kadyrow die Verschleppungen. Es gebe in der Kaukasusrepublik gar keine Schwulen, heißt es in seinem Umfeld.

Wie die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ (HRW) berichtet, sollen die staatlichen Sicherheitskräfte allerdings die schwulen Männer mit den Worten „Ihr wisst, was jetzt zu tun ist“ an ihre Familien übergeben haben – ein indirekter Aufruf zum Ehrenmord. Etwa fünfzig Betroffene flüchteten aus ihrer Heimat und werden nun vom russischen LGBT-Network versorgt. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.

Die internationalen Proteste wurden für Russland zum Problem

Dieses stellt auch die Kontakte zwischen den Botschaften der EU und den Betroffenen her. Viele schwule Tschetschenen haben Angst, auch in anderen Teilen Russlands gefunden zu werden – zum Beispiel, weil örtliche Behörden die neue Adresse unter bestimmten Bedingungen nach Tschetschenien melden würden.

Nachdem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron den russischen Präsidenten Wladimir Putin allerdings auch bei offiziellen Terminen auf die Lage schwuler Männer in Tschetschenien angesprochen hatten, ist der Kreml offenbar daran interessiert, die Angelegenheit schnell zu bereinigen: So sollen lokalen Informanten zufolge die Verfolgungen vorerst beendet worden sein, Verwandte von Betroffenen sollten eine Schweigevereinbarung unterschreiben.

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