Samstag, 16. März 2024
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Das Private ist Politik – schon wieder!

Solange es im Parlament keinen Konsens darüber gibt, dass man alle Menschen ungeachtet der sexuellen Orientierung schützen soll, müssen wir wachsam sein.

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Während am 21. Regenbogenball in Wien hunderte für eine offene Gesellschaft ohne Hass und Hetze gegen LGBTI-Personen tanzen, wird im Parlament die erklärte Gegnerin der Vielfalt, Gudrun Kugler, Menschenrechtssprecherin. Sie ist mit ihren menschenfeindlichen Ansichten nicht allein: Die dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller hält homosexuelle Eltern „ungeeignet für die Psyche der Kinder“ und Gottfried Waldhäusl, für den Schwuchtel zur Umgangssprache gehört, wird als Landesrat jetzt Regierungsmitglied in Niederösterreich.

Die dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller hält homosexuelle Eltern „ungeeignet für die Psyche der Kinder“ und Gottfried Waldhäusl, für den Schwuchtel zur Umgangssprache gehört, wird Landesrat

Der tatsächliche Umgang mit gleichgeschlechtlicher Liebe in einer Gesellschaft hat oft wenig mit der herrschenden Gesetzeslage zu tun. In manchen Ländern werden die geltenden strengen Gesetze nicht angewendet. In anderen Staaten ist Homosexualität zwar legal, Schwule, Lesben, Transgender werden aber trotzdem benachteiligt oder verfolgt, ohne durch Antidiskriminierungsgesetze geschützt zu sein. Mancherorts wurden Strafgesetze gegen Homosexualität aufgehoben, doch in der Bevölkerung wie im gesellschaftlichen Alltag ist Homophobie noch weit verbreitet und wird auch immer wieder von Politiker*innen und öffentlichen Personen bewusst geschürt.

In einigen südosteuropäischen Ländern werden „Märsche für Toleranz“ oder Demonstrationen für mehr Gleichstellung durch die Politik verboten oder im Auftrag dieser brutal zerschlagen. Auch wenn man fragen könnte, was Vorurteile einer kleinen Minderheit etwa in Schweden verglichen mit öffentlichen Hinrichtungen von Schwulen in einem voll besetzten Stadion im Iran sind – Tatsache ist, dass Engagement für und von Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung als die der Mehrheitsgesellschaft weltweit noch immer notwendig ist. Auch in Europa und wie es scheint wieder verstärkt in Österreich.

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Hokuspokus im Alpenland

Die Freude war groß – vor dem Verfassungsgerichtshof versammelten sich noch am Abend der Verkündung des Urteils viele Menschen, um den historischen Schritt zu feiern. Nach einem ewigen Kampf hat wieder – nicht die Politik – sondern wiederholt ein Gericht über die Gleichstellung von homo,- und heterosexuellen Personen in Österreich entschieden: Die gesetzliche Trennung verschiedengeschlechtlicher und gleichgeschlechtlicher Beziehungen in zwei unterschiedliche Rechtsinstitute stellt eine Diskriminierung dar und muss aufgehoben werden – so lautet das Urteil vom Verfassungsgerichtshof.

FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan findet, es gäbe verschiedene Möglichkeiten, die Gesetze der Ehe und der Eingetragenen Partnerschaft anzupassen – das klingt nach einer gefährlichen Drohung.

Viele sind skeptisch, ob und wie die neue Regierung das Urteil umsetzen wird. ÖVP-Justizsprecherin Michael Steinacker warnt aktuell vor „Schnellschüssen“ und plädiert für genau juristische Prüfungen. FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan findet, es gäbe verschiedene Möglichkeiten, die Gesetze der Ehe und der Eingetragenen Partnerschaft anzupassen – das klingt nach einer gefährlichen Drohung.

Gespannt darf man auch auf die Aufgaben und Projekte der neuen ÖVP-Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler sein. Sie ist militante Abtreibungsgegnerin, kämpft gegen Diskriminierungsschutz für LGBTI und glaubt, dass die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zur einer „Ehe unter Geschwistern“ führt. Zieht euch warm an.

Bleiben wir bunt und laut!

Solange es im österreichischen Parlament abseits der politischen Gesinnung und Parteizugehörigkeit keinen Konsens darüber gibt, dass man alle Menschen ungeachtet der sexuellen Orientierung durch Gesetze schützen soll, müssen wir wachsam sein. Es gibt Kräfte, die aktuell in der Regierung sitzen, die die 1968er wieder rückgängig machen wollen, ein Frauenbild der 1950er Jahre heraufbeschwören oder die trotz der Entscheidung vom VfGH an einer Unterscheidung und somit Diskriminierung bei der Ehe festhalten wollen.

Es gibt in der Regierung Kräfte, die ein Frauenbild der 1950er Jahre heraufbeschwören oder an einer Unterscheidung und somit Diskriminierung bei der Ehe festhalten wollen.

Es fehlt noch immer ein Schutz vor Diskriminierung außerhalb der Arbeitswelt (Levelling Up), gleiche Rechte für Trans-Personen sind keine Selbstverständlichkeit, Schwule sollen kein Blut spenden, Eingriffe bei intergeschlechtlichen Babys, Kindern und Jugendlichen sind nicht verboten. Nach wie vor fehlt es an entsprechender Sensibilisierung bei den Lehrkräften, in den Lehrplänen und an Anlaufstellen in Schulen für jene, die isoliert und gemobbt werden.

So lange die Suizidgefahr bei homo,- trans,- oder bisexuellen Jugendlichen in Österreich bis zu sechsmal höher ist, hat die Politik einen lebenswichtigen Auftrag. Politik muss eine Vorbildfunktion haben, nicht aufhetzen. Erinnern wir sie daran und hören nicht weg, wenn ihre Vertreter*innen homophobe Aussagen tätigen. Setzen wir uns weiterhin und laut als Mehrheit für gleiche Rechte für alle ein. Ein Salto nach hinten seitens dieser Regierung ist leider real.


Ewa Dziedzic ist Bundesrätin für die Grünen und Bundessprecherin der Grünen Andersrum

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