Freitag, 19. April 2024
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Politik machen mit homophoben Ressentiments

Ein wichtiges Urteil des VfGH wird gerade diskreditiert – aus reiner Ideologie.

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Die Unterscheidung zwischen Ehe und Eingetragener Partnerschaft verletzt das Diskriminierungsverbot. Wer gegen das Urteil des Höchstgerichts mobilisiert, verhöhnt den Rechtsstaat. Martin Leidenfrost hat in seiner Kolumne seine homophoben Vorstellungen veröffentlicht, die Aufregung bleibt.

Hetze in einem Appell an Gefühle ist eine Aufreizung zu Hass und Verachtung

Hetze in einem Appell an Gefühle und Leidenschaften ist eine tendenziöse Aufreizung zu Hass und Verachtung. Diese Verachtung ist spürbar und steht im Kontext ideologischer Kleingeistigkeit rund um die aktuelle Frage der Eheöffnung für homosexuelle Paare in Österreich.

Es ist kein Luxus, homo,- bisexuell, transgender oder intergeschlechtlich zu sein. Dafür wurde man diskriminiert, inhaftiert und exekutiert. Österreich war eines der letzten Länder in Europa, in dem das Totalverbot für Homosexualität 1971 aufgehoben wurde. Im Zeitraum von 1950 bis 1971 wurden 13.000 Homosexuelle verurteilt. Erst 2002 hat der Verfassungsgerichtshof mit §209 den letzten ausdrücklichen Homosexuellenparagrafen als verfassungswidrig aufgehoben.

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Diskriminierte Menschen sind keine „lustigen Travestien“

Bis 1997 gab es mit §220 ein Verbot der „Werbung für gleichgeschlechtliche Unzucht“. Öffentliches Gutheißen von Homosexualität war strafbar. Auch wenn Leidenfrost das originell findet: Diskriminierte Menschen sind keine „lustigen Travestien“. Das Unbehagen über andere Familienkonzepte rührt nicht aus Vernunft.

Patchworkfamilien und homosexuelle Frauen und Männer gab es immer schon, wie auch den Unterschied zwischen freier Meinungsäußerung und gehässiger Abwertung. Die Mehrheitsgesellschaft einigt sich in einer Demokratie darauf, Minderheitenrechte zu verteidigen, Menschenverachtung gefährdet diese wichtige Errungenschaft.

Das Urteil des VfGH muss im Namen der Rechtsstaatlichkeit umgesetzt werden

Die gesetzliche Trennung verschieden- und gleichgeschlechtlicher Beziehungen in unterschiedliche Rechtsinstitute stellt eine Diskriminierung dar und muss aufgehoben werden – so lautet das VfGH-Urteil. Die Bindung an ein Urteil ist Bestandteil der Rechtsstaatlichkeit.

Eine Abweichung bedingt neue Bedenken gegen die dann geltende Regelung, die gegen die jetzige Aufhebung sprechen. Das Parlament könnte sich mit einem Verfassungsgesetz über die Höchstgerichtsentscheidung hinwegsetzen, was realpolitisch eher ausgeschlossen ist. Was gerade passiert, ist eine Aufwiegelung der Gegner der Gleichstellung – hier reiht sich der Leidenfrost-Kommentar ein.

Mit homophober Politik lässt sich gut politisches Kapital machen

Mit antihomosexueller Politik und homophobem Ressentiment lässt sich gut politisches Kapital machen. So lang aber die Suizidgefahr bei homo,- trans,- oder bisexuellen Jugendlichen sechsmal höher ist, hat die Politik einen wichtigen Auftrag: Vorbildfunktion zu haben und nicht aufzuhetzen.

In Deutschland soll nach dem Willen der AfD Lesben und Schwulen das Eherecht wieder entzogen werden. Diese rechtsextreme Partei darf kein Vorbild sein. Genauso wie die Vermischung der Zivilehe mit einer kirchlichen Trauung kein adäquater Debattenbeitrag ist. Der VfGH übt die Funktion aus, die ihm zuerkannt ist – per Verfassung. Das Urteil wird gerade diskreditiert – aus reiner Ideologie.

Bundeskanzler Sebastian Kurz muss zusehen, dass seine ÖVP das Urteil ohne Sonderkonstruktionen umsetzt. In einer Nationalratssitzung im November 1996 verhinderten ÖVP und FPÖ eine erneute Aufhebung des §209. Am Ende war es der Verfassungsgerichtshof, der 2002 eine Aufhebung des §209 durchrang.


Ewa Dziedzic ist Bundesrätin der Grünen sowie Sprecherin der Grünen Andersrum und der Grünen Frauen. Dieser Kommentar erschien zuerst in der Presse.

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