Donnerstag, 25. April 2024
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Erster schwuler „Ehrenmord“ in der Türkei?

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Die Schwulen- und Lesbenszene in Istanbul trauert um den 26-jährigen Ahmet Yildiz. Der junge Mann, der letztes Jahr die Türkei bei einem schwulen Contest in San Francisco vertreten hat, wurde letzte Woche erschossen, als er ein Café verließ. Verwundet versuchte er noch, den Tätern mit seinem Auto zu entkommen, aber er verlor die Kontrolle über seinen Wagen und starb kurz darauf im Krankenhaus. Die Freunde von Ahmet Yildiz glauben, dies war der erste schwule „Ehrenmord“ in der Türkei.

„Er wurde das Opfer eines Krieges zwischen der alten Mentalität und immer liberaler werdenden Bürgerrechten“, sagt Sedef Cakmak, ein Freund des Opfers und Mitglied der vor kurzem verbotenen Homo-Rechtsgruppe Lambda Istanbul. „Ich fühle mich hilflos: Wir versuchen, auf die Rechte von Lesben und Schwulen in diesem Land aufmerksam zu machen, aber je sichtbarer wir werden, umso mehr werden wir zur Zielscheibe für solche Angriffe“, sagt Cakmak der britischen Zeitung „The Independent“.

Ein enger Freund von Ahmet Yildiz weiß: „Vom ersten Tag an, als wir uns kennen gelernt haben, habe ich nie ein nettes Gespräch zwischen Achmet und seinen Eltern gehört. Sie haben ständig gestritten. Meistens darüber, wo er war, wer er war, und was er tat.“ Wie der Freund sagt, wollte die Familie Ahmet zuletzt in den konservativen Osten des Landes zurückholen und von einem Arzt heilen lassen. Er sollte eine Frau heiraten.

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Ahmet Yildiz erstatte auch beim Staatsanwalt Anzeige, weil er nach seinem Coming Out Todesdrohungen erhalten hat. Der Fall wurde zu den Akten gelegt. Fünf Monate später starb er. Für Gruppen, die sich um die Rechte von Homosexuellen einsetzen, ein Ergebnis der Unentschlossenheit, die die türkische Gesellschaft Lesben und Schwulen entgegenbringt. So gilt bei der Armee Homosexualität als „Krankheit“, Schwule sind untauglich, müssen ihre Homosexualität aber durch eine Analuntersuchung oder Fotos nachweisen. In den Medien wird Gewalt gegen Lesben und Schwule totgeschwiegen oder verhöhnt. Ein Mitglied der Gruppe Pink Life fürchtet auch, dass der Tod von Ahmet Yildiz in der breiten Öffentlichkeit einfach unter den Teppich gekehrt wird.

Ehrenmorde sind in der Türkei häufig: Schätzungen zufolge stirbt in Istanbul jede Woche ein Mensch daran, landesweit sollen es 220 Tote pro Jahr sein. Meistens sind es Frauen, deren Ehre nach Auffassung ihrer männlichen Verwandten befleckt wurde. Ahmet Yildiz dürfte nach Meinung seiner Freunde der erste schwule Ehrenmord sein.

Ein weiteres Zeichen dafür: „Wir haben versucht, Ahmets Familie zu erreichen, damit sie sich um das Begräbnis kümmern. Es kam keine Antwort, und ich glaube nicht, dass sie kommen werden“, sagt ein Freund des Opfers. Und nach Ehrenmorden ist es üblich, dass die Familie dem Begräbnis fernbleibt.

Ahmet Yildiz starb für seine Überzeugung, ist sich auch sein Nachbar sicher: „Er hätte verstecken können, wer er war – aber er wollte ehrlich leben. Als Todesdrohungen angefangen haben, hat ihn sein Freund gebeten, die Türkei zu verlassen. Aber er ist geblieben. Er war zu mutig. Er war zu offen“.

Dafür wurde er von denen getötet, die er liebte.

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