Dienstag, 16. April 2024
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Wiener Rechtsanwaltskammer in Inserat gegen Homo-Adoption

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Lesben und Schwule sind Rechtsanwälte und beauftragen sie auch – doch wer glaubt, dass die Wiener Rechtsanwaltskammer sich auch für die Belange von Lesben und Schwulen einsetzt, irrt offenbar: In einem bezahlten Inserat, das gestern in der konservativen Tageszeitung „Die Presse“ erschienen ist, kritisiert die stellvertretende Präsidentin der Kammer, Brigitte Birnbaum, Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter dafür, dass er die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare begrüßt.

Rupprechter „nicht mit Materie vertraut“, „verantwortungsvoller Gesetzgeber“ gegen Öffnung

Rupprechter sei ein „mit der Materie nicht vertrauter Minister“ und ein – selbsternannter, so der Unterton – „Experte für Adoptionen“, so Birnbaum. In der bezahlten Anzeige erklärt sie, „dass der Idealzustand für ein Kind die Erziehung durch Mutter und Vater ist“, und – solange „in der Gesellschaft eine große Gruppe davon überzeugt“ sei – „ein verantwortungsvoller Gesetzgeber keine andere Linie beziehen“ darf.

Auch sonst wärmt die Vizepräsidentin der Wiener Rechtsanwaltskammer altbekannte Argumente der Konservativen auf: Es gehe um das Kindeswohl, und außerdem gebe es genügend „exzellente Adoptiveltern“. Als Pflegeeltern sind Birnbaum schwule oder lesbische Paare aber gut genug. Denn dort gebe es „bisweilen Knappheit“, hier könnten „andere Lösungen Kindern ein Leben im Heim ersparen“. Aber: „Dennoch finden sich auch dafür wiederum fast nur heterosexuelle Paare“, gibt die Vertreterin der Pflicht-Kammer den „Presse“-Lesern zu bedenken.

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SPÖ-Jarolim: „Seltsame Vorgangsweise“

Für SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim ist das Inserat eine „in dieser Form absolut inakzeptable Einmischung“ in die gesellschaftliche Debatte um eine Öffnung des Adoptionsrechts für schwule und lesbische Paare.

„In einer mit den Geldern aller Mitglieder der Wiener Rechtsanwaltskammer bezahlten Anzeige die durchaus fragwürdige Privatmeinung von Frau Dr. Birnbaum wiederzugeben, gespickt mit polemischen Angriffen gegen den Landwirtschafsminister, ist eine äußerst seltsame Vorgangsweise und hat in einer seriös geführten Debatte nichts verloren“, so Jarolim weiter.

HOSI Wien: „Werden Anwälte, die Lesben und Schwule unterstützen, aus der Kammer ausgeschlossen?“

Auch bei der HOSI Wien sorgt das Inserat für Kopfschütteln. „Es gibt keinen Beweis, dass die sexuelle Orientierung irgendeinen Einfluss auf die Qualifikation einer Person als Adoptivvater oder -mutter hat. Ganz im Gegenteil: Alle seriösen Langzeitstudien zeigen, dass sich Kinder in Regenbogenfamilien bei zwei Müttern oder zwei Vätern genauso gut entwickeln, wie jene in Familien mit Vater und Mutter. Das Argument zum „Wohl des Kindes“ ist ein nur allzu gerne vorgeschobenes“, ärgert sich Obmann Christian Högl.

Er möchte nun von der Wiener Rechtsanwaltskammer, in deren Auftrag das Inserat geschaltet wurde, wissen, ob es sich um die offizielle Linie der Kammer oder eine Privatmeinung von Birnbaum handelt. Außerdem möchte die HOSI Wien in einer offiziellen Anfrage wissen, an welche Anwälte sich Lesben und Schwule bei Adoptionsfragen wenden können – und, ob ihnen ein Ausschluss aus der Kammer droht, wenn sie diese Fälle annehmen.

Wiener Rechtsanwaltskammer schweigt

Eine offizielle Stellungnahme der Wiener Rechtsanwaltskammer steht noch aus. Dafür ist der Beitrag von Brigitte Birnbaum auf der Homepage unter „Medienkooperationen“ zu finden. Auch auf dem Blog der Kammer ist der Text des Inserats wortgleich zu finden, auf der Facebook-Seite der Kammer wird darauf verlinkt. Auf die Kritik an dem Artikel hat die Wiener Rechtsanwaltskammer auf Facebook nicht geantwortet.

Vielleicht sind die Standpunkte von Brigitte Birnbaum auch durch ihr familiäres Umfeld zu verstehen: Partner und Vater ihrer Kinder ist der reaktionäre Publizist Andreas Unterberger, der nach seiner Chefredakteurs-Tätigkeit bei der „Presse“ und der staatlichen „Wiener Zeitung“ nun mangels neuem Arbeitgeber seine Ansichten im Internet verbreitet.

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