Mittwoch, 24. April 2024
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Staatsanwalt darf Safer Sex bei HIV-Positiven verfolgen

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Nach geltendem österreichischen Recht kann Sex für HIV-Positive vor dem Richter enden. Um das zu verhindern, halten sie sich in der Regel an die offiziellen Safer-Sex-Richtlinien der – vom Gesundheitsministerium – finanzierten Aids-Hilfen. Doch auch das schützt nicht vor Strafverfolgung, wie das Rechtskomitee Lambda (RKL) jetzt aufdeckt.

Denn das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat entschieden: Die Staatsanwaltschaften dürfen einen HIV-Positiven wegen § 178 Strafgesetzbuch – Vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten – anklagen, wenn er Oralverkehr ohne Ejakulation hat. Genau diese Praxis („Nicht in den Mund abspritzen“) propagieren die Aids-Hilfen seit Jahrzehnten als sicher, wenn es um eine HIV-Infektion geht.

Im dem konkreten Fall geht es um einen Mann, der deshalb 2012 vor dem Strafrichter stand. Der Prozess endete übrigens mit einem – sofort rechtskräftigen und astreinen – Freispruch. Trotzdem darf die Staatsanwaltschaft HIV-Positive auch künftig für diese Sex-Praktik anklagen, so das OLG Wien. Die Anklage für die Einhaltung der staatlichen Vorgaben sei daher vertretbar gewesen, so die Richter.

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Und es ist nicht das erste Mal, dass in Österreich HIV-positive Menschen, die Safer Sex hatten, sich dafür vor Gericht verantworten mussten. So dauerte es mehrere Jahre, bis das OLG Graz im Jahr 2003 die Verurteilung eines HIV-positiven Kärntners aufhob, der ebenfalls Oralsex ohne Ejakulation hatte.

Bis 1997 gab es sogar Verurteilungen für Geschlechtsverkehr mit Kondom – dann entschied der Oberste Gerichtshof (OGH), dass diese Praxis den offiziellen Safer-Sex-Regeln entspricht und deshalb nicht strafbar ist. Auch das interessierte die Richter am Oberlandesgericht Wien nicht: Trotz der „bis dato einmaligen“ Entscheidung des OGH sei ihrer Meinung nach keineswegs ausjudiziert, dass Sex mit Kondom und die Befolgung der Safer Sex Regeln straffrei sei.

Wenn es um die Verurteilung von HIV-Positiven wegen ihres Sexuallebens geht, nimmt Österreich europaweit mit mehr als 50 Verurteilungen einen Spitzenplatz ein. Einen Tatbestand, der dem österreichischen entspricht, gibt es in Deutschland überhaupt nicht, in der Schweiz beschränkt sich dieser auf böse Absicht. Dafür gibt es Kritik: Die Vereinten Nationen und die EU-Grundrechteagentur (FRA) verlangen im Interesse einer wirksamen Prävention, seit Jahren Konzentration des Strafrechts auf absichtliche Ansteckung. Damit würde eine Kriminalisierung von HIV-Positiven beendet werden, so die Hoffnung der Organisationen.

Und im Justizministerium stieß diese Hoffnung schon einmal auf offene Ohren: In einer parlamentarischen Anfragebeantwortung aus dem Mai 2010 sagte die damalige Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, man habe die Staatsanwaltschaften über den neuesten Stand der medizinischen Forschung informiert – was den Schlusss nahelegt, dass in solchen Fällen also keine Anklage erhoben werden sollte.

„Wir rufen den Justizminister dazu auf, dringend die Zusicherungen seiner Vorgängerin wahr zu machen und für die sofortige gesetzliche Klarstellung zu sorgen, dass die Befolgung der staatlich propagierten Verhaltensregeln nicht strafbar ist“, so der Präsident des RKL und Rechtsanwalt des Betroffenen, Helmut Graupner.

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