Freitag, 19. April 2024
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‚Mein Name ist Monsignore Krzysztof Charamsa. Ich bin schwul.‘

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Es war wohl Thema Nummer eins, dieses Wochenende im Vatikan: Monsignore Krzysztof Charamsa hatte sich als schwul geoutet. Dabei ging er präzise vor: Am Freitag veröffentlichte die polnische „Newsweek“ ein ausführliches Interview mit dem polnischen Geistlichen, am Samstag erschien ein Interview mit dem italienischen „Corriere della Sera“, wenige Stunden später gab der Geistliche gemeinsam mit seinem Lebensgefährten eine Pressekonferenz unweit der Piazza del Popolo. Dazu kamen noch weitere Gespräche mit anderen polnischen Medien.

„Mein Name ist Krzysztof Charamsa, Monsignore Krzysztof Charamsa. Ich bin ein Funktionär der Kongregation für die Glaubenslehre, zweiter Sekretär der Internationalen Theologischen Kommission, Theologe, Lehrer (…) Ich bin schwul.“ – so begann Charamsa eines der Interviews. Er lässt keinen Zweifel, wer er ist – als Theologe und als Mensch.

Und dieser Satz macht auch die Sprengkraft dieses Outings deutlich: Krzysztof Charamsa ist nicht einfach nur ein Priester. Bevor er seine Homosexualität öffentlich machte, war er Assistenzsekretär der Internationalen Theologischen Kommission im Vatikan, die an die Glaubenskongregation angegliedert ist. Auch hat er an der päpstliche Universität Gregoriana unterrichtet. Von seiner Abberufung von diesen Posten erfuhr er am Wochenende durch die Medien. Überrascht hat diesen die Reaktion der Kirche aber nicht nicht. Dem „Corriere della Sera“ sagte er zuvor, dass er sich der Konsequenzen im Klaren sei und sie tragen werde. Sein Ziel sei es, eine „zurückgebliebene“ und „paranoide“ Kirche zu bewegen.

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Wurde durch sein Outing ein „besserer Priester“

Charamsa sagte dem „Corriere della Sera“ weiters, gleichgeschlechtliche Liebe sei für ihn eine „familiäre Liebe“. Überdies habe er das Gefühl, dass er ein „besserer Priester, der bessere Predigten hält“, geworden sei, seit er zu seiner Homosexualität stehe.

Doch ob er überhaupt Priester bleiben darf, entscheidet seine Heimatdiözese im nordpolnischen Pelplin. Am Samstag rief sie ihn zur „Umkehr“ auf. Bischof Richard Kasyny sagte, die Erklärung von Charamsa stehe „konträr zu den Schriften und Lehren der Katholischen Kirche“. Er habe Priester und Gläubige gebeten, für eine Umkehr Charamsas und dessen „Rückkehr zur Priesterschaft“ zu beten.

Doch dazu wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht kommen. Denn Charamsa hat angekündigt, das Konvent in Rom zu verlassen und zu seinem Lebensgefährten, dem Katalanen Eduardo Planas, zu ziehen: „Das Ticket für Barcelona habe ich schon, danach suche ich mir dort Arbeit“, sagte er auf der Pressekonferenz. Denn trotz aller Diskussionen über ihn hat er nicht vor, weiter zu polarisieren: „Ich will nicht weiterhin für einen Eklat sorgen“, sagte Charamsa. Er hoffe, dass sich die Familiensynode mit der Frage homosexueller Gläubiger und ihrer Familien befassen werde.

Liebe hat ihm die Kraft zum Outing gegeben

Die Beziehung habe ihm auch die Kraft gegeben, seine sexuelle Orientierung öffentlich zu machen: „Meine Freude und meine Freiheit verdanke ich dem Mann, den ich liebe: Eduardo, mein Partner, konnte die besten Energien aus mir herausholen und Reste von Angst in die Stärke unserer Liebe umwandeln.“ Dass es Charamsa damit Ernst ist, konnten Journalisten aus aller Welt bei der Pressekonferenz selbst sehen. Der polnische Monsignore umarmte seinem Partner immer wieder liebevoll oder legte ihm den Kopf auf die Schulter – man merkte: Es ist eine große Bürde von ihm abgefallen, nun kann er seine Liebe der ganzen Welt zeigen.

Deutliche Kritik an der Kirche und dem Klerus

Das Outing von Monsignore Krzysztof Charamsa gibt der Diskussion über Homosexualität in der römisch-katholischen Kirche eine neue Wendung – weil zum ersten Mal ein Insider dieser Kirche eine Kursänderung fordert. „Ich weiß, dass die Kirche mich als jemanden ansieht, der seiner Pflicht nicht nachgekommen ist, der sich verloren hat und der noch dazu nicht mit einer Frau, sondern mit einem Mann zusammen ist“, sagte Charamsa im Interview.

Und auch sonst kritisiert Charamsa seinen ehemaligen Arbeitgeber. „Die Kirche ist im Vergleich zu dem Wissen, das die Menschheit inzwischen hat, zurückgeblieben“, erklärt er dem „Corriere della Sera“. Es sei „nicht möglich, noch weitere 50 Jahre zu warten“, die Kirche müsse bei gläubigen Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern „die Augen öffnen und verstehen, dass ihre Lösung, totale Abstinenz und ein Leben ohne Liebe zu leben, unmenschlich ist“.

Deutliche Worte findet der 43-Jährige, wenn es um ehemalige Kollegen geht. Der polnischen „Newsweek“ sagte er, der Klerus sei „überwiegend homosexuell und traurigerweise auch homophob bis zur Paranoia, weil es an Akzeptanz der eigenen sexuellen Orientierung mangelt“: Das heimliche Leben ermutige zur offenen Homophobie.

Dem entsprechend kündigte Charamsa auf seiner Pressekonferenz an, er wolle sich nun „als Anwalt für alle sexuellen Minderheiten und ihre Familien einsetzen, die im Stillen gelitten haben“. Gleichzeitig dankte er „unserem fantastischen Papst, der es uns erlaubt hat, wieder an den Dialog zu glauben“.

Outing überschattet Familiensynode

Das Timing für dieses Coming Out war von Charamsa geschickt gewählt worden. Am Sonntag begann im Vatikan die Familiensynode: In dieser diskutieren Bischöfe aus aller Welt darüber, wie die römisch-katholische Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen oder Homosexuellen umgehen soll. Beobachter erwarten beim Umgang mit Lesben und Schwulen sanftere Worte für einen harten Kurs. Papst Franziskus hatte sich immer wieder gegen die Öffnung der Ehe ausgesprochen, und besonders afrikanische Bischöfe verhindern Zugeständnisse.

Dem entsprechend reagiert man im Vatikan verschnupft: Dessen Sprecher Frederico Lombardi sagte gegenüber italienischen Medien, Charamsa verdiene für seine Äußerungen zwar Respekt, es erscheine aber „unverantwortlich“, eine so „sensationelle Erklärung am Vorabend der Eröffnung der Synode“ abzugeben und diese damit „ungerechtfertigtem Mediendruck“ auszusetzen.

Charamsa stellt zehn Punkte gegen Homophobie in der Kirche vor

Monsignore Krzysztof Charamsa ist das nicht unrecht: „Mein Coming Out soll ein Appell an die Synode sein, ihr paranoides Handeln gegenüber sexuellen Minderheiten aufzugeben“, erklärt er weiter. Er wolle die Kirche nicht zerstören, sondern ihr helfen. Zahlreiche Dokumente seien zu verändern, darunter der Katechismus, der eine „homosexuelle Neigung“ als „objektiv ungeordnet“ bezeichnet. Den Journalisten legte er in diesem Zusammenhang ein Zehn-Punkte-Programm gegen „institutionalisierte Homophobie in der Kirche“ vor.

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