Samstag, 20. April 2024
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Gutmütige Drogendealer: Älteres schwules Paar in Berlin vor Gericht

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Zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten sind in Berlin zwei ungewöhnliche Drogendealer verurteilt worden. Begonnen hat das ältere Männerpaar seinen Handel als Service für die Gäste ihrer schwulen Pension im Schöneberger Kiez, dann wurde daraus ein florierendes Geschäft – inklusive fixen Geschäftszeiten.

Sie suchten das Glück im schwulen Kiez

Seit 14 Jahren sind Kurt und Josef B. ein Paar, seit 2012 sind sie auch miteinander verpartnert. Der 55-jährige Kurt war Postbeamter in der Schweiz, nun arbeitet er eigentlich als Innenarchitekt. Sein Partner Josef ist 48 Jahre alt kommt aus Tschechien. Er kann als Folge seiner HIV-Infektion nicht mehr arbeiten. Aber wie wurde dieses ältere Paar, das sich so rührend füreinander kümmert, zu Drogendealern?

Die Geschichte beginnt 2002: Kurt und Josef lassen sich in Schöneberg nieder und übernehmen die Pension „Elefant“. Das Geschäft mit den schwulen Kunden geht gut, doch drei Jahre später geht es Josef immer schlechter. Sie verkaufen die Pension. Im Jahr 2012 versuchen sie noch einmal ihr Glück. Sie übernehmen das „Bananas“, eine schwule Pension in der Reisbergstraße.

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Ein besonderes Service für Gäste

Die Gäste, die oft nach Berlin kommen, um dort Party zu machen und die moderne schwule Version von Sex, Drugs and Rock’n’Roll auszuleben, fragen ihre Vermieter immer wieder nach Drogen: Poppers, Liquid Ecstasy, Keaamin, Viagra – nach allem wird gefragt.

„Irgendwann gaben wir dem Drängen nach“, erinnert sich Josef vor Gericht. Zunächst fragen sie die Apotheker, bei denen sie ihre HIV-Medikamente kaufen. Die kennen sie sehr gut: Die beiden Männer haben sich in den späten 1980er-Jahren mit dem Virus infiziert, mussten miterleben, wie ihre damaligen Partner an Aids starben – und auch viele ihrer Freunde.

Mit den modernen Medikamenten haben sie die Krankheit nun im Griff – und auch ihre Gäste wollten Substanzen, die in Deutschland als Arzneimittel gehandelt werden. Allerdings nicht aus gesundheitlichen Gründen: Ob Ketamin, das die Schmerzfähigkeit heruntersetzt, oder Arzneimittel zur Auto-Injektions-Therapie für einen prallen Penis – all das konnten Kurt und Josef auftreiben. Dazu noch Potenzmittel, aus Asien – mit einem viel zu hohen Werkstoffgehalt, weswegen sie in Deutschland auch nicht zugelassen sind. Andere Drogen besorgten die beiden Gastwirte auf der Straße – und gaben sie zum Einkaufspreis an ihre Gäste weiter. „Die Leute rissen uns das Zeug förmlich aus den Händen“, erinnert sich Kurt vor Gericht.

Geschäftsmodell mit Crystal Meth ausgeweitet

Einen Boom erlebte der kleine private Drogenhandel, als Josef herausbekam, wie er in seiner Heimat Tschechien günstig an Crystal Meth kam: Im Jahr 2014 schlossen sie ihre Pension und mieteten eine Souterrainwohnung. Dort portionierten sie ihre Ware und verkauften sie, von 10.00 bis 20.00 Uhr, Mittagspause inklusive.

Doch dann wurden Kurt und Josef unvorsichtig: Sie verschickten ihre Ware per Post. Eine ihrer Lieferungen, an die Firmenadresse des Kunden, wurde von einem Kollegen geöffnet, ein weiteres Paket fiel dem besorgten Freund eines anderen Empfängers in die Hände.

Die Absender wurden angezeigt, ihre Telefone abgehört. Drei Monate später klickten für das schwule Paar die Handschellen. 4,5 Kilo Crystal Meth stellten die Behörden im Souterrain sicher – ein Rekord, selbst für das drogengewohnte Berlin.

Das abrupte Ende eines kurzen Traumes

Die beiden Männer waren von Anfang an kooperativ: Sie verrieten nicht nur ihre Quelle, sondern auch alle Konten, auch die in der Schweiz und in Tschechien – was unter Drogendealern überaus selten ist. Normalerweise verstecken diese ihr Geld, geben sich mittellos und leben nach der Haft von den Erlösen. Und die können sich auch in diesem Fall sehen lassen: Mehr als 400.000 Euro hatten die beiden Männer durch den Handel mit den illegalen Substanzen eingenommen.

Wie gefährlich ihre Ware ist, das wollen Kurt und Josef nicht gewusst ist. Ihre Konsumenten waren gut situiert, und das Gericht glaubt Josef auch, dass er sich nun schämt, „dass ich dieses Zeug verkauft habe“. Von so viel Ehrlichkeit zeigten sich auch die Richter beeindruckt. Zwar ist das Strafmaß für die Menge der Drogen durchaus üblich – doch anders als die meisten anderen Dealer dürften Kurt und Josef gemeinsam in Freiheit auf den Termin für den Haftbeginn warten.

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