Freitag, 29. März 2024
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[Video] Erstes Flüchtlingsheim für LGBT wurde in Berlin eröffnet

18 Flüchtlinge haben das Heim in Treptow bereits bezogen

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In Berlin wurde das erste Heim für schwule, lesbische und transgender Flüchtlinge eröffnet. Das Haus im Bezirk Treptow bietet Platz für bis zu 124 Menschen.

Die Flüchtlinge werden das Heim in mehreren Phasen beziehen: In einer ersten Phase werden 18 Flüchtlinge in das Heim ziehen. Die oberen Stockwerke werden gerade mit Rauchmeldern ausgestattet, nach Beendigung der Arbeiten können auch diese Räume bezogen werden.

In herkömmlichen Flüchtlingsheimen droht Gewalt

Schwule, lesbische oder transgender Flüchtlinge werden in herkömmlichen Flüchtlingsunterkünften immer wieder Opfer von Gewalttaten. „In den vergangenen sechs Monaten kamen mehrere Flüchtlinge mit gebrochenen Nasen in unsere Beratungsstelle. Einer hatte auch einen angebrochenen Unterarm“, erinnert sich die Sozialarbeiterin Jouanna Hassoun vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Berlin-Brandenburg, gegenüber der „taz“.

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Neben körperlicher Gewalt werden sie auch immer wieder Opfer von Drohungen oder Mobbing: „Die anderen Flüchtlinge nehmen ihnen das Essen weg oder zwingen sie, auf dem Fußboden zu schlafen“, so die Sozialarbeiterin.

Auch Marcel de Groot, Geschäftsführt der Schwulenberatung Berlin, die das Heim betreibt, kennt diese Geschichten: Bis jetzt hätten rund 100 Personen bei seiner Organisation Hilfe gesucht, jeden Tag gibt es zwei oder drei Anfragen per E-Mail, oft auch aus anderen Städten. „Wir hören schreckliche Geschichten. Die Vorfälle reichen von Diskriminierung und Beschimpfung bis hin zu Gewalt und sogar Vergewaltigung“. so de Groot.

Homophobie und Transphobie in Herkunftsländern weit verbreitet

Auch kommen immer wieder Fälle vor, in denen die Übersetzer beim Amt sich weigern, die Homosexualität des Flüchtlings am Amt zu thematisieren. Damit

Die Täter hätten oft „eine sehr traditionelle Vorstellung davon, wie ein Mann oder eine Frau zu sein haben“, erklärt Hassoun. Gerade in arabischen oder türkischen Familien würden viele Jugendliche mit homo- oder transphoben Ansichten aufwachsen. Doch auch außerhalb der Heime werden schwule, lesbische oder transgender Flüchtlinge attackiert.

Heime und betroffene Flüchtlinge sind überfordert

In den Heimen selbst kann man auf die Angriffe aber nicht adäquat reagieren. „Die Heime sind mit den homophoben Attacken überfordert“, erklärt de Groot: „Ihnen fehlt das Personal und die Erfahrung, um effektiv dagegen vorzugehen.“

Und auch die Flüchtlinge wissen im Ernstfall nicht, an wen sie sich wenden könnten. Wie hoch die Dunkelziffer von Übergriffen an LGBT-Flüchtlingen ist, ist deshalb unklar. Oft werden die Betroffenen durch die Übergriffe zusätzlich traumatisiert.
Das queere Wohnheim soll die Flüchtlinge deshalb auch stabilisieren und auf ihre speziellen Bedürfnisse eingehen. Das Personal soll deshalb nach Möglichkeit auch homosexuell oder transgender sein: „Wir möchten unseren Bewohnern kompetente Hilfe anbieten“, so de Groot: „Wer selbst nicht schwul ist, kann bestimmte Probleme nicht richtig nachvollziehen.“

Neben Unterkunft auch Integrationsmaßnahmen

Neben einer sicheren Unterkunft soll das Haus den Flüchtlingen auch helfen, sich leichter in Deutschland zu integrieren. „Wir haben spezielle Angebote wie Deutsch- oder Integrationskurse, die von schwulen und lesbischen Lehrern abgehalten werden, die uns ihre Hilfe angeboten haben. Wir werden auch die Begriffe der Community lehren, die man in einem herkömmlichen Deutschkurs nicht lernt“, erklärt ein Sprecher der Schwulenberatung.
Für den Aufbau des Heimes hat die Schwulenberatung Berlin etwa 45.000 Euro vorgestreckt. Am Projekt beteiligt sich auch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo), das die Kosten für das Heim größtenteils übernehmen will. Daneben möchte die Schwulenberatung einen Teil der Kosten über Spenden finanzieren. Unterstützung für das Flüchtlingsheim gibt es außerdem vom LSVD Berlin-Brandenburg, der russischsprachigen LGBT-Gruppe Quarteera und Les Migras, einer Organisation für lesbische und bisexuelle Migrantinnen.

Bis zu 7000 LGBT-Flüchtlinge in Berlin

Das Heim kann aber nur ein erster Schritt sein: Die Schwulenberatung schätzt die Zahl der homo-, bi- und transsexuellen Flüchtlinge in Berlin auf 3500 bis 7000 Menschen.
Berlin ist die zweite Stadt Deutschlands, in der es eine eigene Einrichtung für LGBT-Flüchtlinge gibt. In Nürnberg hat Anfang des Monates eine entsprechende Einrichtung eröffnet. Im Endausbau soll sie 124 Flüchtlingen in 25 Wohnungen Schutz bieten. Außerdem ist eine Notunterkunft geplant, in der Opfer homophober Übergriffe kurzfristig Schutz finden.

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