Freitag, 29. März 2024
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Ehe-Verbot in Schweizer Verfassung scheitert knapp

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Es war ein Herzschlagfinale am heutigen Abstimmungssonntag in der Schweiz: Die Volksinitiative „Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe“ hat in letzter Minute die Mehrheit verloren: Mit einem Nein von 50,8 Prozent der Stimmen wurde sie abgelehnt. Sie sah unter anderem vor, dass die Ehe als Verbindung von Mann und Frau in die Schweizer Verfassung aufgenommen wird.

Städte drehen das Ergebnis in letzter Minute

Beim Zwischenresultat des Schweizer Fernsehens SRF von 14.46 Uhr waren noch die Befürworter mit 52,4 Prozent der abgegebenen Stimmen voran. Erst gegen 17.30 Uhr, als die Ergebnisse aus Bern vorlagen, holten die Gegner in einem wahren Zielsprint auf – mit einem hauchdünnen Vorsprung von 54.979 Stimmen bei mehr als 3,2 Millionen gültigen Stimmen.

Für die Initiative war eine Mehrheit der Kantone: So stimmten Jura, Wallis, Appenzell-Innerrhoden, Tessin, Obwalden, Nidwalden, Schwyz, Thurgau, Fribourg, St. Gallen, Aargau, Neuenburg,Glarus, Solothurn, Zug, Schaffhausen, Uri und Luzern für die Initiative. Appenzell-Ausserrhoden, Graubünden, Basel-Landschaft, Genf, Bern, Waadt, Zürich und Basel-Stadt lehnten sie ab. Die Gegner der Initiative waren also vor allem in den Städten der Schweiz zu finden.

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Ehe-Verbot in der Verfassung als Nebeneffekt?

Primär wollten die Initiatoren der Abstimmung, die Christliche Volkspartei (CVP), Steuernachteile für Ehepaare und Eingetragene Partner abschaffen. Durch die Formulierung der Abstimmungsfrage wurde daraus aber ein Referendum über die Definition der Ehe: Denn geändert werden sollte Artikel 14, Absatz 2 der Bundesverfassung. Dieser hätte bei einem Ja künftig gelautet: „Die Ehe ist die auf Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau. Sie darf gegenüber andern Lebensformen nicht benachteiligt werden, namentlich nicht bei den Steuern und den Sozialversicherungen.“

Homosexuelle Paare wären also durch die Schweizer Verfassung diskriminiert worden: Die Ehe hätte ohne eine Verfassungsänderung nicht mehr für schwule und lesbische Paare geöffnet werden können – was den Plänen großer Teile der Schweizer Politik entgegenläuft die, wie die Mehrheit der Bevölkerung, eine Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Paare anstrebt.

CVP gesteht ihre Niederlage ein

Die CVP, die diese Initiative eingebracht hat, gestand ihr Scheitern mittlerweile ein: Man sei enttäuscht, dass die Mehrheit der Kantone aber die Initiative befürwortete, sei aber ein „klares Zeichen für eine gemeinsame Besteuerung von Ehepaaren“. Dass die Festsetzung der heterosexuellen Ehe in den Verfassungsrang ein taktischer Fehler gewesen sein könnte, gab die Partei schon in den letzten Tagen zu.

Bei einem Ja zur CVP-Initiative wären gleichgeschlechtliche Paare erstmals verfassungsmässig diskriminiert worden, schrieben die Parteien SP, FDP, Grüne, GLP und BDP in einer ersten gemeinsamen Stellungnahme.

Lesben- und Schwulenorganisationen erleichtert

Schwulen- und Lesbenorganisationen zeigen sich hingegen erleichtert über das knappe Nein zur CVP-Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe – auch die parteieigene Fachgruppe LGBT: Sie jubelt über die Ablehnung der eigenen Volks-Initiative. Man sei „der Ansicht, dass sich das Volk mit der Ablehnung der Initiative unter anderem auch gegen eine Verankerung einer Definition der Ehe zwischen Mann und Frau in der Verfassung ausgesprochen hat“.

„Wir sind froh, dass das Stimmvolk diese Mogelpackung erkannt hat“, ergänzt Bastian Baumann von der Schwulenorganisation Pink Cross in seiner Stellungnahme.

Presse nennt CVP-Initiative eine „Fehlkonstruktion“

Dem entsprechend fallen auch die Kommentare der Schweizer Medien aus: „Eine Mehrheit der Stimmbürger hat erkannt, dass die CVP-Initiative eine Fehlkonstruktion war, die alle Familienformen, die nicht der klassischen entsprochen hätten, diskriminiert hätte“, kommentiert die konservative „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ)

Und der Zürcher „Tagesanzeiger“ ist sogar der Meinung: „Mit dem Nein zur CVP-Initiative, welche die Ehe als Gemeinschaft zwischen Mann und Frau in der Verfassung verankern wollte, dürften die parlamentarischen Arbeiten zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare an Fahrt gewinnen.“

SVP-„Abschiebungsinitiative“ deutlich abgelehnt

Bei den anderen Initiativen, die heute abgestimmt wurden war das Ergebnis deutlicher: So wurde die „Durchsetzungs-Initiative“ der rechtspopulistischen SVP mit 58,9 Prozent der abgegebenen Stimmen abgelehnt. Sie sah vor, dass Ausländer automatisch abgeschoben werden sollten, wenn sie straffällig geworden sind. Genau 57 Prozent des Schweizer Stimmvolkes sprach sich für die Errichtung einer zweiten Röhre beim St.-Gotthard-Tunnel aus. Eine Initiative über ein Spekulationsverbot mit Nahrungsmitteln wurde mit 59,9 Prozent der abgegebenen Stimmen abgelehnt.

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