Freitag, 19. April 2024
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Wird Gloria Gray die erste transsexuelle Bürgermeisterin Bayerns?

Am Sonntag wählt Zwiesel im Bayerischen Wald ein neues Oberhaupt

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Wenn am Sonntag in Zwiesel, einer Stadt mit knapp 9.500 Einwohnern im Bayerischen Wald, ein neuer Bürgermeister gewählt wird, könnte zum ersten Mal in Deutschland eine Transsexuelle dieses Amt für sich entscheiden: Unter den Kandidaten ist die 50-jährige Gloria Gray, die nach einem Leben in den Metropolen der Welt wieder in ihre Heimat zurückgekehrt ist.

Leicht war es nicht für Gloria Gray in den 1980er Jahren. Das Elternhaus, eine Viehhändler- und Fleischhauerfamilie, war herzlich, aber auch grob. Der Bub musste mithelfen, doch schon bald wurde ihm klar, dass er anders war. Und das blieb auch den anderen Menschen im Dorf nicht verborgen. Die Mitschüler nannten ihn „schwule Sau“, bewarfen ihn mit Steinen.

Mit 18 Jahren nach München, mit 26 die Geschlechtsanpassung

Dass in ihm ein Mädchen in einem Bubenkörper steckt, ahnten sie nicht. Sie selbst ahnte es zum ersten Mal im Alter von fünf Jahren. „Meine Cousine hatte eine Barbie geschenkt bekommen. Als ich sie zum ersten Mal sah, war es um mich geschehen. Vollbusig, superschlank mit endlosen langen Beine – so wollte ich auch sein“, schreibt sie in ihrer Autobiografie.

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Mit 18 Jahren flüchtete Sohn des Fleischhauers nach München. Im Alter von 26 Jahren glich sie das Geschlecht schließlich medizinisch an. Es folgen Auftritte in ganz Deutschland, den USA und in Spanien. Im Varieté fühlte sie sich wohl, die Rolle der Sex-Bombe gefiel ihr. Als Schauspielerin war sie auch in Joseph Vilsmaiers Film „Marlene“ zu sehen. Zwiesel im Bayerischen Wald war nicht nur geografisch ganz weit weg.

Sie kam in die Heimat, um ihre Eltern zu pflegen – und blieb

Dabei habe sie „nie an Zuhause gedacht, nicht mal von Zuhause geträumt“, erinnert sie sich im Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ). Doch vor sechs Jahren kam sie zurück. Ihre Eltern, die mittlerweile verstorben sind, brauchten Pflege. Gloria Gray kam. Und blieb.

Im Jahr 2010 hat sie in Zwiesel ein Kultur-Café mit Bühne eröffnet. Mehr als hundert Veranstaltungen hat das „Café Gloria“ gesehen, vom Kinderfasching bis zur „Puff-Party“. Und Gloria Gray hat auch ein bisschen weite Welt nach Zwiesel geholt. Cleo Kretschmer, Marianne Sägebrecht und Lilo Wanders standen schon auf die Bühne des Cafés. Viele Veranstaltungen waren ausverkauft, bis das Café 2013 wieder schließt. „Seit ich wieder in Zwiesel bin, habe ich mehr für die Kultur gemacht als die Stadt. Die Leute sind so dankbar dafür“, erinnert die 50-Jährige nicht ohne Stolz.

Deshalb möchte Gloria Gray nun einen Schritt weiter gehen: Sie tritt für das Amt der Bürgermeisterin an, die Wahl findet am 27. November statt. „Ich sehe mich als Wegebereiterin, auf alle Fälle“, weiß sie um die Symbolwirkung dieser Kandidatur. Die 120 Unterstützungsunterschriften seien „ruckzuck da gewesen“, freut sie sich gegenüber der SZ.

Mehr Kultur, Tourismus und Wirtschaft statt „Verwaltung des Mangels“

Ihre Gegenkandidaten sind der parteilose Amtsinhaber Franz Xaver Steininger und Elisabeth Pfeffer von der CSU. Den derzeitigen Bürgermeister findet sie fleißig – aber der Stadtrat sei so zerstritten, dass in Zwiesel nichts weiter gehe. Das Durchschnittsalter liegt bei fast 50 Jahren, und im Stadtrat herrsche „Verwaltung des Mangels“, so Gloria Gray. Sie möchte mehr Touristen und Firmen in den Luftkurort bringen und auch die Abwanderung stoppen.

Ob sie wirklich eine Chance auf das Bürgermeister-Amt hat? Das ist gut möglich. Denn der Landkreis, in dem Zwiesel liegt, hat schon einmal mit seinen unkonventionellen Ergebnissen für Schlagzeilen gesorgt. Nämlich im Jahr 2008, als mit Michael Adam Bürgermeister von Bodenmais wurde, gute zehn Kilometer Luftlinie entfernt von Zwiesel. Der ist jung, schwul, evangelisch und SPD-Mitglied. Und vor fünf Jahren wurde er zum Landrat von Regen gewählt.

Doch auch, wenn Gloria Gray am Sonntag nicht zur Bürgermeisterin gewählt wird, will sie ihrer Heimatstadt nun treu bleiben. „Die Bäume, die Luft, die Ruhe, das gibt mir so viel Kraft und das möchte ich auch anderen Menschen vermitteln, damit sie herkommen. Der Bayerische Wald ist mein Nest geworden, und da bleibe ich auch“, sagt sie der SZ.

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