Donnerstag, 28. März 2024
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Türkei: Beschlagnahme eines LGBT-Magazins war rechtswidrig

Einstimmiges Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte tadelt türkischen Richter

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Die Beschlagnahme eines LGBT-Magazins durch türkische Behörden ist ein Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention. Zu diesem Schluss kommt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem einstimmigen Urteil.

Im Jahr 2006 wurden in der Türkei mehrere hundert Exemplare des Magazins der Istanbuler LGBT-Organisation Kaos GL beschlagnahmt. Ein Gericht in der Hauptstadt Ankara hatte zuvor das Magazin verboten, weil die Titelgeschichte über Pornografie nach Meinung eines Richters gegen die öffentliche Moral verstoßen habe.

Verbot war ein „unverhältnismäßiger Eingriff“ in die Pressefreiheit

Dieses Verbot verstieß gegen Artikel 10 der europäischen Konvention der Menschenrechte. Dieser garantiert das Recht auf Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung. Die Beschlagnahme sei ein „unverhältnismäßiger Eingriff“ gewesen, der in einer demokratischen Gesellschaftsordnung „nicht notwendig“ sei. Um Jugendliche vor den Inhalten zu schützen, wäre ein Verbot der Verbreitung an unter 18-Jährige ausreichend gewesen.

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Der europäische LGBT-Dachverband ILGA Europe begrüßte die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Das Gericht habe festgestellt, dass die freie Meinungsäußerung nicht mit dem Argument der öffentlichen Moral eingeschränkt werden darf.

Hält sich die Türkei an das Urteil aus Straßburg?

Seit der Beschlagnahme des Magazins vor zehn Jahren hat sich das politische Klima in der Türkei allerdings verschärft – zu Ungunsten sexueller Minderheiten. So wurden in den letzten beiden Jahren Lesben-, Schwulen- und Transgenderparaden in Istanbul polizeilich verboten. In der letzten Woche wurde der LGBT-Aktivist Levent Piskin kurzzeitig verhaftet, weil er in seinem Hauptjob als Anwalt einen Spitzenpolitiker der oppositionellen HDP vertritt.

Ob die Entscheidung des EGMR deshalb tatsächlich Einfluss auf die türkische Politik hat, darf deshalb bezweifelt werden. Formal sind für die Mitglieder des Europarats, zu denen auch die Türkei gehört, die Beschlüsse des Gerichts rechtlich bindend. In der Praxis werden unliebsame Urteile vor allem von Staaten wie Russland aber immer wieder ignoriert.

Auch EU-Parlament kritisiert Umgang der Türkei mit sexuellen Minderheiten

Dass die Türkei ein Problem im Umgang mit sexuellen Minderheiten hat sieht auch die EU-Kommission. In ihrem aktuellen Fortschrittsbericht für die Türkei stellte sie fest, dass „Hassverbrechen und Menschenrechtsverletzungen gegenüber LGBTI-Personen weiterhin großen Anlass zur Besorgnis“ geben würden.

Wegen dieser und anderer Missstände hat das Europaparlament dafür gestimmt, die Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU auszusetzen. Zuvor hatten dies bereits Österreichs Bundeskanzler Christian Kern und Außenminister Sebastian Kurz aufgrund der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen gefordert.

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