„Es ist gut zu wissen, dass du nicht alleine bist“

In Russland gibt es einen schwul-lesbischen Motorradclub. Wir haben mit dem Vorsitzenden gesprochen

HoMoto
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Mit all der Propaganda und voreingenommenen Nachrichtenquellen auf der Welt ist es oft schwer, herauszufinden wie die Dinge in einigen Ländern wirklich sind, aus denen Berichte von homophoben Gräueltaten kommen. Kevin Murphy, Mister Leather Ireland 2015, hat deshalb mit Juras gesprochen, dem Gründer des HoMoto Motorradclub in Russland – einer LGBT-Gruppe, die ihren Teil macht, um gleiche Rechte dort auf den richtigen Weg zu bringen.

Kevin Murphy: Hallo, zuerst möchte ich dir dafür danken, dass du die Zeit hast, mit mir zu reden. Könntest du unseren Lesern erklären, was HoMoto ist, und was dich dazu gebracht hat, den Club zu gründen.

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Juras: Guten Tag. Ich bin mir nicht sicher, ob es diese eine, ausgereifte Idee gab, einen schwulen Biker-Club in Russland zu gründen. Es glaube, es war das gleiche, das einen Reisenden dazu bringt, seine Reise zu beginnen, frei zu sein und sich ein Motorrad zu kaufen – der Wunsch, etwas Neues auszuprobieren. Etwas, das den klassischen Bildern von Schwulen und Gesellschaft als Ganzes widerspricht.

Ich habe in der Vorbereitung Kommentare gelesen, die sagen, wie HoMoto Stereotype über Schwule in Russland verändert, indem ihr Leder trägt und mit Motorrädern fährt. Was magst du an Leder und Motorradfahren, das dich dazu bringt, Wahrnehmungen so zu verändern?

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Die Massenpropaganda hat ein Bild des schwulen Mannes in die Vorstellungen der Leute gebracht – jemand, der etepetete ist, gekünstelt, ein übertriebener schwuler Mann, der dick Make-up trägt. Aber ein Schwuler auf dem Bike – das ruiniert dieses Stereotyp. Gleichzeitig ist die Motorradkultur in der UdSSR/Russland nicht so alt wie beispielsweise in den USA. Und die Menschen, die heute bekannte Biker-Clubs in Russland leiten, waren vor 15-20 Jahren dort, wo ich jetzt bin. Aber mit der Zeit haben sie Sachen verloren und vergessen, was sie dazu gebracht hat, für ihre Rechte und ihre Freiheit einzustehen.

Mit welchen Herausforderungen und Missverständnissen hattest du es am Anfang von HoMoto zu tun? Triffst du noch immer auf sie oder haben sie sich verändert?

Das erste Mal, wenn der Club live oder in der Presse irgendwo auftaucht, gibt es einfach Neugier. Einige Leute können uns nicht akzeptieren, andere wissen nicht so recht, wieder andere – unterstützen uns. Aber es ist immer ein Thema. Die fettesten Meldungen kommen von Homophoben in Ämtern, so wie (der Präsident des Bikerclubs „Nachtwölfe“, Alexander) Saldostanow. Er sagt, dass Schwule keine Motorräder fahren sollten. Der St. Petersburger Abgeordnete Milonow wiederholt das und sagt, nur „echte Männer“ könnten auf Motorrädern sein. Diese Rhetorik verschwindet nicht und sie machen ihre homophoben Aussagen in jedem Interview, in dem sie reinpassen.

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Was macht ihr in eurer Freizeit?

Wenn wir über den weiblichen Teil des Clubs reden: Sie machen Outdoor-Reisen, wandern oder campen mit Nächten am Lagerfeuer. Ich mag lieber extremere Sportarten in meiner Freizeit.  Im Winter gehe ich snowboarden, oder Schi fahren, im Sommer, neben dem Motorrad, ist das Radfahren, Springen, das Trampolin.

Gibt es schwule und lesbische Bars oder Plätze, in denen man sich sicher treffen kann?

Ja, die gibt es, aber die Bedeutung des Wortes „sicher“ hat sich in den letzten Jahren geändert. Auf der einen Seite kann das ein Schwulenclub mit Security am Eingang sein – aber eines Tages kann der Abgeordnete Milonow mit der Polizei auftauchen und sagen, in dem Club sind Minderjährige und Drogensüchtige. Sicher, es stimmt nicht, und sie gehen wieder, ohne etwas getan zu haben.

Aber wenn über die Gay Community reden, passiert ein Großteil der „Kommunikation“ nicht in den Clubs, sondern on Facebook, Hornet oder Grindr. Der Club ist das schwächste Glied.

Kannst du mir etwas mehr über die Veranstaltungen erzählen, die HoMoto organisiert?

Wir haben nicht so viele Veranstaltungen. Letztes Jahr hatten wir ein Grillfest, dieses Jahr sind wir gemeinsam ins Kino gegangen und haben uns das lesbische Filmdrama „Freeheld“ angesehen. Auf der anderen Seite nehmen wir am gemeinsamen Biker-Leben der Stadt teil. So gibt es beispielsweise jedes Jahr eine Kampagne mit dem Namen „Achtung, Biker!“ – in der ganzen Stadt geben Biker Autofahrern bei den Ampeln Flugblätter, die sie erinnern, in ihre Rückspiegel zu schauen, weil dort hinten Motorräder sein könnten.

Würdest du Schwulen und Lesben empfehlen, nach Russland zu reisen?

Es hängt davon ab, warum sie Russland besuchen wollen. Wenn es um Kultur und Sehenswürdigkeiten geht – dann sicher, ja. Aber wenn wir über die Szene reden – Lesben- und Schwulenkultur existiert in Russland nur in Aktionen von LGBT-Aktivisten. Unter dem Druck der Behörden sperren Orte zu und werden Veranstaltungen abgesagt. Und unsere Schwulen machen lieber Urlaub in Spanien, anstatt vor Ort gegen diese Situation zu kämpfen.

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Die Leder-Community als internationale Gemeinschaft bietet sich für länderübergreifende Solidarität und Unterstützung an. Welchen Ratschlag würdest du der internationalen Community geben, um Solidarität mit euch in Russland zu zeigen und Veränderungen zu unterstützen?

Homophobie wird bei russischen Politikern, Popstars oder Fernsehmoderatoren groß geschrieben. Aber dann leben auch diese Leute, wenn sie die russische Grenze überqueren, ihr zweites anonymes Leben in Europa. Fotos solcher Leute, zum Beispiel aus Sitges, würden helfen, ihr öffentliches Image in Russland zu verändern.

Für Leute, die HoMoto gerne beitreten würden, was sollten sie wissen? Was kannst du ihnen raten?

Es gibt bei unserem Club keinen Aufnahmetest, Statuten oder einen Mitgliedbeitrag. Es ist die Gemeinschaft von Schwulen und Lesben, die sich für Motorräder interessieren. Aber es gibt zwei Bedingungen. Erstens: Du musst ein Bike haben. Für einen Teenager ist das ein eher teures Spielzeug. Zweitens: Jeder, der bei uns mitmachen möchte, muss offen über seine oder ihre sexuelle Orientierung sein. Weil es ist zu schwierig, gleichzeitig im Schrank und auf dem Bike zu sein.

Noch einmal vielen Dank für deine Zeit und dafür, dass du meine Fragen beantwortet hast. Wir wünschen Dir das Beste bei deinen Abenteuern auf dem Bike und beim Kampf um gleiche Rechte in Russland. Und wir hoffen, dass wir euch auf diesem Weg so gut wie möglich unterstützen können.


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Kevin Murphy ist Mister Leather Ireland 2015. Das Interview erschien zuerst auf Alphatribe.