[Video] Tschetschenien: „Tötet euren Sohn – sonst tun wir es“

Ein Überlebender spricht darüber, wie schwule Männer gefoltert werden - und von der eigenen Familie umgebracht.

Dem französischen Auslandsfernsehen „France 24“ ist es gelungen, in Moskau mit schwulen Tschetschenen zu sprechen, denen die Flucht aus ihrer Heimat gelungen ist. Um sich selbst zu schützen, wollen sie alle anonym bleiben: „Wenn ich nach Hause komme, wird mich meine eigene Familie umbringen“, sagt ein geflüchteter Tschetschene. Auch ihr genauer Aufenthaltsort bleibt geheim.

Unabhängigen Medienberichten zufolge hat das Regime von Präsident Ramsan Kadyrow bereits seit Monaten mehrere hundert schwule Männer verschleppt und gefoltert – auch, um die Namen weiterer Schwuler herauszufinden. Zumindest drei von ihnen haben die Torturen in den Geheimgefängnissen der Milizen nicht überlebt. Doch wie die Geflüchteten berichten, ist die Zahl der Toten vermutlich viel größer.

„Die Familienehre mit Blut reinigen“: Den eigenen Sohn im Wald umbringen und verscharren

„Sie haben Eltern gesagt, sie sollen ihr Kind töten“, beschreibt einer der Geflüchteten die Situation in den Geheimgefängnissen: „Sie haben gesagt: ‚Entweder ihr tut es oder wir‘“. Die tschetschenischen Milizen nennen dieses Vorgehen „die Familienehre mit Blut reinigen“. Und dafür hat der schwule Tschetschene auch ein eindrucksvolles Beispiel.

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„Einen Mann haben sie zwei Wochen lang gefoltert, dann haben sie seine Eltern und Brüder herbeigerufen, die alle gekommen sind. Sie haben ihnen gesagt: ‚Euer Sohn ist ein Homosexueller – kümmert euch darum oder wir machen es selbst“, beschreibt der Mann gegenüber „France 24“ die Vorgänge in den Geheimgefängnissen.

Und die Familien spielen dieses perverse Spiel mit: „Sie haben geantwortet: ‚Es ist unsere Familie, wir werden es tun‘“, so der Zeuge weiter: „Die Familie hat ihn genommen und sie haben ihn im Wald umgebracht. Sie haben ihn dort verscharrt. Es gab für ihn nicht einmal ein Begräbnis.“

Gefoltert und gedemütigt in Geheimgefängnissen: Viele Gefangene wollen lieber sterben

Diese Vorgehensweise der tschetschenischen Milizen wurde von allen Betroffenen, mit denen „France 24“ sprechen konnte, bestätigt. Recherchen des britischen Außenministeriums zufolge möchte Kadyrow „alle Schwulen bis zum Beginn des Ramadan ausrotten“.

„Sie haben Männer gefoltert, mit Elektrizität und Nahrungsentzug. In der Nacht werfen sie ihre Reste in die Zellen statt in den Mülleimer. Nicht, um den Gefangenen Essen zu geben – nur um zu sehen, wie sie erniedrigt werden, weil die die Reste essen mussten“, schildert der Zeuge das Verhalten der Kadyrow-treuen Milizen gegenüber den Gefangenen.

Auch sonst wurden schwule Männer in den tschetschenischen Geheimgefängnissen gequält und gedemütigt: „Sie mussten sich aufstellen und wurden gezwungen, sich einen Frauennamen zu geben. Einige von ihnen wären lieber getötet worden als all das zu ertragen. Viele haben sich geweigert, aber sie wurden grausam geschlagen. Sie haben ihnen Elektroschocks gegeben – sie haben immer bekommen, was sie wollten. Weil man keine Held sein kann, wenn man mit so viel Schmerzen und Erniedrigung konfrontiert wird.“

„Sie machen, was immer sie wollen – weil sie wissen, dass sich niemand um Schwule kümmert“

„Wir wurden immer verfolgt – aber so war es noch nie“, fasst einer der Geflüchteten die Situation zusammen: „Jetzt verhaften sie jeden. Sie töten Menschen, sie machen, was immer sie wollen. Sie wissen, dass sich niemand um sie kümmert.“

Und genau das ändert sich langsam: Während Österreichs Außenminister Sebastian Kurz über die Verfolgung schwuler Männer in Tschetschenien seit fast einem Monat schweigt, hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel dieses Thema bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin angesprochen. Auch, wenn diese Geste nicht zum Ende der Verfolgung führt: Je mehr die Öffentlichkeit über die Vorgänge in Tschetschenien spricht, umso eher ist Putin gezwungen, Kadyrow zurückzupfeifen – und das würde vielen schwulen Männern in der Kaukasusrepublik das Leben retten.