Mittwoch, 24. April 2024
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„Watchlist“ und Bürokratie: Erschwert die Krankenkasse den Zugang zur PEP?

Schnelles Handeln ist nötig, um eine HIV-Infektion mit der PEP zu verhindern. Doch die Gebietskrankenkasse sträubt sich immer öfter, die Behandlungskosten zu übernehmen

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Wer einen HIV-Risikokontakt hat, kann mit einer Post-Epositionsprophylaxe (PEP) einer Infektion mit dem Virus vorbeugen. Allerdings scheinen die österreichischen Krankenkassen sich bei der Übernahme der Kosten für diese Therapie zurückzuhalten – und gefährden damit die Gesundheit schwuler und bisexueller Männer. Das musste ein junger Journalist am eigenen Leib erfahren, seine Erlebnisse schildert er im Magazin biber.

Ein geplatztes Kondom, die Angst vor einer HIV-Infektion – und der zunächst einfache Weg zur PEP

Die Geschichte beginnt wie viele andere: Der 28-Jährige Emir Dizdarevic lädt ein Date nach Hause ein, hat mit ihm Sex – und dann reißt das Kondom. Das Date macht sich aus dem Staub und lässt Dizdarevic mit der Frage allein, ob er jetzt einen HIV-Risikokontakt hatte.

Um auf Nummer sicher zu gehen, fährt er ins Allgemeine Krankenhaus (AKH), um dort auf der HIV-Abteilung die Medikamente für die PEP zu bekommen. Bis zu 48 Stunden nach einer möglichen HIV-Infektion können die Medikamente verhindern, dass sich das Virus im Körper einnistet.

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Diese Therapie dauert ein Monat, die Medikamente dafür kosten etwa 1.800 Euro. Die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) kann die Kosten übernehmen. Doch genau das dürfte immer seltener der Fall sein, wie Dizdarevic auf seinem Weg durch die Krankenkassenbürokratie erfährt.

Die Krankenkasse will nicht zuständig sein, wenn es darum geht, die Kosten zu übernehmen

Denn zunächst wird ihm das Rezept nicht bewilligt. „Dafür sind wir nicht zuständig“, erklärte der diensthabende Arzt Dizdarevic bei seinem ersten Besuch auf der Bezirksstelle Mariahilf der WGKK trocken. Damit müsste er die Kosten für die PEP selbst tragen.

Für Gerold Felician Lang, Arzt bei der HIV-Ambulanz des AKH, nichts Ungewöhnliches. Denn es gibt keine österreichweit einheitliche Regelung. In der Steiermark springt in den meisten Fällen die Universitätsklinik Graz mit ihrem eigenen Budget ein, im Burgenland werde die PEP nur in „Härtefällen“ bewilligt, erklärt er Dizdarevic.

In Wien habe sich, so die Beobachtung des Mediziners, zuletzt einiges verschlechtert, wenn es um die PEP geht. So hat die WGKK zunächst die PEP anstandslos bewilligt. Seit zwei Jahren möchte die Kasse eine genaue Schilderung, wie sich der Betroffene dem Risiko ausgesetzt hat. Und seit drei Monaten werden sämtliche Bewilligungen „kategorisch“ abgelehnt – wegen der „inflationären Kosten“ und einer „Weisung von oben“, wie man hört.

„Inflationäre Kosten“ für die PEP sind nur ein Promille-Teil der Kosten für die HIV-Therapie

Für Lang ist das unverständlich. „Wir haben im Jahr 80 PEP-Fälle. Wir sind das größte Zentrum in Österreich mit 1.600 HIV-Patienten in Behandlung. 80 Fälle ist nichts, das sind in Wahrheit viel zu wenig – wenn man sich überlegt, wie viele Risikokontakte stattfinden müssen. Das als großen Kostenfaktor aufzulisten, ist lächerlich“, erklärt der HIV-Experte Dizdarevic für dessen Artikel im biber.

Rechtlich ist das in Ordnung. Da es sich bei der PEP um eine Prophylaxe handelt, ist die Krankenkasse gesetzlich nicht zur Übernahme der Kosten verpflichtet. „Eine PEP wird grundsätzlich nach sorgfältiger Einzelfallprüfung seitens der WGKK übernommen, wenn ein erhöhtes Krankheitsrisiko nachweisbar ist (z.B. Kondomriss). Die entsprechende Aufklärung, Indikationsstellung und Verordnung muss durch eine Fachambulanz/ExpertInnen erfolgen“, heißt es in einer Stellungnahme der WGKK.

„Es gibt eine Watchlist, wie oft sie bei uns waren. Und weswegen.“

Dizdarevic bekommt vom AKH einen neuen Befund und geht damit wieder zur Wiener Gebietskrankenkasse – diesmal zur Außenstelle im Krankenhaus. Die diensthabende Ärztin genehmigt „ausnahmsweise“ nun die Kosten für die PEP – und warnt den 28-Jährigen. „Sie müssen wissen, wir sind mit der Vergabe sehr restriktiv, also seien Sie vorsichtig. Es gibt nämlich sehr wohl auch eine Watchlist, wie oft Sie bei uns waren. Und weswegen“, erklärt sie ihm.

Die Pressestelle der WGKK dementiert auf Nachfrage, dass es eine solche Liste gebe. Dass sein Befund in Mariahilf nicht genehmigt wurde, begründet die Krankenkasse mit „fehlenden Befunden“. Eine weitere Stellungnahme, nachdem der Artikel im biber erschienen ist, gibt es nicht.

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