Freitag, 19. April 2024
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Schwulenverfolgung in Tschetschenien: Jetzt spricht ein Opfer

Zwölf Tage in der Gewalt tschetschenischer Milizen: "Ich war mir sicher, dass sie mich umbringen"

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In Moskau hat erstmals ein Opfer der Schwulenverfolgung in Tschetschenien über sein Martyrium geredet. In einer Pressekonferenz hat der 30-jährige Maxim Lapunov geschildert, was ihm passiert ist. Er fordert offizielle Ermittlungen durch russische Behörden.

Zwölf Tage wurde Maxim Lapunov in einem tschetschenischen Geheimgefängnis gefoltert

„Ein Viertel des Bodens war voller Blut. Es war eher frisches Blut, vielleicht ein paar Tage alt, und es war teilweise versickert. Als ich Tschetschenien verlassen habe, konnte ich kaum noch kriechen.”

Lapunov, der aus Sibirien stammt und seit 2015 in Tschetschenien als Veranstaltungsmanager gearbeitet hat, hat mit seinem Partner in der Hauptstadt Grosny gelebt. Am 16. März seien sie von Polizisten in Zivilkleidung festgenommen worden. Damit ist er bis jetzt das einzige bekannte Opfer, das kein Tschetschene ist. Dann begann das Martyrium.

„Sie haben mich in einen Raum gebracht. Er war rund zwei Mal zwei Meter groß und ein Viertel des Bodens war voller Blut. Es war eher frisches Blut, vielleicht ein paar Tage alt, und es war teilweise versickert. Die zwölf Tage im Gefängnis habe ich im Keller verbracht. Ich habe auf Pappkartons auf dem Boden geschlafen. Zement, mit Kartons bedeckt. Unter den Kartons war eine riesige Blutlache. Sie haben mir immer auf die Arme und Beine geschlagen. Als ich Tschetschenien verlassen habe, konnte ich kaum noch kriechen”, erinnert er sich.

„Ich war mir sicher, dass sie mich umbringen. Ich habe mich darauf vorbereitet.“

„Das einzige Verbrechen, das ich begangen hatte, war, dass ich schwul bin“

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„Das einzige Verbrechen, das ich begangen hatte, war, dass ich schwul bin“, sagte er Journalisten auf der Pressekonferenz. „Ich war mir sicher, dass sie mich umbringen. Ich habe mich darauf vorbereitet.“

Als er nach zwölf Tagen freigelassen wurde, musste er versprechen, über das Erlebte nicht zu reden – und ein Blanko-Geständnis unterschreiben. Trotzdem traut er sich nun, als erstes Opfer der systematischen Schwulenverfolgung, an die Öffentlichkeit. Grund dafür sind die schleppenden Ermittlungen der russischen Behörden in dieser Sache. „Einfach gesagt, es gab keine Ermittlungen“, so der russische Menschenrechts-Aktivist Igor Kalyapin.

Im April wurde die Verfolgung schwuler und bisexueller Männer aufgedeckt – doch Moskau reagiert nicht

Die systematische Verfolgung schwuler und bisexueller Männer in der russischen Kaukasusrepublik wurde im April durch die regierungskritische Zeitung Nowaja Gaseta aufgedeckt. Menschenrechtsgruppen wie das russische LGBT-Network gehen von mehr als hundert Opfern aus. Zuletzt war öffentlich geworden, dass auch der bekannte russische Popsänger Zelimkhan Bakayev offenbar in Tschetschenien verschleppt und ermordet wurde.

Wie viele schwule und bisexuelle Männer wirklich vom tschetschenischen Regime umgebracht wurden, ist unklar. Igor Kochekow vom LGBT-Network sagte allerdings auf der Pressekonferenz, dass Zeugen seiner Organisation gesagt hatten, dass mindestens 15 Männer, die ihren Familien übergeben wurden, seitdem spurlos verschwunden seien. Das entspricht Berichten, dass die tschetschenischen Behörden den Familien empfohlen haben sollen, an ihren schwulen Verwandten einen Ehrenmord zu begehen.

Der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow weist alle Berichte über die Verfolgung schwuler und bisexueller Männer zurück – er bestreitet auch, dass es diese in Tschetschenien überhaupt gebe. „Wenn es irgendwelche Schwulen gibt, nehmt sie. Um unser Blut zu reinigen, wenn es welche gibt, nehmt sie“, sagte er dem US-Sender HBO im Juli.

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