Donnerstag, 25. April 2024
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Wenn die Ablehnung der sexuellen Identität stärker ist als der Lebenswille

Jelena, die im Jahr 2013 zur „Miss BallCanCan“ gewählt wurde, hat sich vor wenigen Tagen das Leben genommen. Wie können solche Dramen verhindert werden?

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Und wieder hat ein junger Mensch Suizid begangen. Dieser Tage warf sich Jelena (ihr Geburtsname war Nikola, ihr Spitzname Niki) aus dem Leben. In einem Fernseh-Interview meinte sie 2011 „das wichtigste im Leben ist Liebe und Freiheit. Lasst alle leben, wie sie wollen, denn es ist wichtig für die Seele und für das Herz“ (Im serbokroatischen Original: „Najbitnije u životu je ljubav i sloboda, neka svako živi kako hoce, jer to je važno za dušu i za srce“).

Sie war mehr Mensch als Mann oder Frau

Jelena, die mit ihrer Herkunftsfamilie während des Jugoslawien-Kriegs nach Österreich geflüchtet war, hat es nicht geschafft, sich selbst leben zu lassen. Die gesellschaftliche und damit einhergehende familiäre Ablehnung ihrer sexuellen Identität waren letztendlich stärker als ihr Lebenswille. Sie passte nicht in die Schublade „Mann“, in die sie bei ihrer Geburt von der Gesellschaft gesteckt worden war. Sie war mehr Mensch als Mann oder Frau und versuchte, als Transgender-Person akzeptiert zu werden.

Die Selbstmordrate bei Menschen mit anderer sexueller Identität und Orientierung, als es in unserer heteronormativen Gesellschaft erwartet wird, ist zigfach höher als die von Personen, die mit dem Geschlecht einverstanden sind, dem sie bei ihrer Geburt zugeordnet wurden und sich sexuell auch so verhalten, wie es von einer Frau oder einem Mann erwartet wird, nämlich heterosexuell.

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Lesbische, schwule, bisexuelle, transidente, intersexuelle und queere Menschen (LSBTIQ) haben es auch im Jahr 2018 in Wien, Österreich und EU-weit nicht so leicht wie Hetero-/Cissexuelle, eine gesunde, lebensbejahende Einstellung zu sich selbst zu entwickeln. Suizid ist hier nur die Spitze des Eisberges. Andere, lebensverkürzende Verhaltensweisen führen darüber hinaus zu einer geringeren Lebenserwartung.

Wie können Dramen wie das von Jelena verhindert werden?

Wie können wir das verändern, wie können Dramen wie das von Jelena verhindert werden? Offenheit ist die Antwort. Andere Menschen ihre Geschlechtsidentität und ihr Sex- und Liebesleben so gestalten zu lassen, wie sie es möchten! Auch sich selbst so sein zu lassen, wie man ist. Und sich hinter andere zu stellen, wenn diese diskriminiert werden – also auch die Stimme zu erheben, wenn beispielsweise „schwul“ oder „Transe“ in Gesprächen oder Social-Media-Postings negativ verwendet werden.

Dazu benötigt es auch staatliche Interventionen, die über aktuelle Maßnahmen und die Antidiskriminierungsgesetzgebung hinausreichen: Pluralqueere, Diversity-orientierte Bewusstseinsbildung, wie sie von Expert*innenseite auch im Nationalen Aktionsplan Frauengesundheit der Republik Österreich unter dem Begriff „Sexuelle Bildung“ gefordert wird. Ich frage einmal bei den neu zuständigen ÖVP/FPÖ-Bundesministerinnen nach, wie es mit der Umsetzung aussieht und was machen Sie und du?


Hilfe bei Depressionen und in Krisensituationen bietet unter anderem die Telefonseelsorge. Sie ist 24 Stunden am Tag österreichweit kostenfrei unter der Telefonnummer 142 erreichbar.


Mario R. Lackner ist Autor (Fachbücher, Romane, Songs), Experte für Sexuelle Bildung (u.a. Mitwirkung am NAP Frauengesundheit der Republik Österreich) und Volksbildner. Dieser Beitrag erschien zuerst auf seinem Blog derMarioLackner.wordpress.com

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