Mittwoch, 24. April 2024
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30 Jahre Haft für HIV-positiven College-Studenten: Urteil abgemildert

Michael J. könnte bereits nächstes Jahr auf Bewährung entlassen werden - die Verurteilung sorgt aber weiter für Kritik

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Im Juli 2015 wurde der damals 23-Jährige Michael J., der im Internet auch als „Tiger Mandingo“ unterwegs war, von einem Bezirksgericht im US-Bundesstaat Missouri zu 30 Jahren Haft verurteilt. Sein Verbrechen: Er hatte mit fünf Männern ungeschützten Sex, ohne ihnen von seiner HIV-Infektion zu erzählen. Nun wurde das Urteil gegen den ehemaligen College-Studenten abgemildert, berichtet das US-Portal BuzzFeed.

Zehn Jahre Mindeststrafe, wenn man seinen Partner nicht über eine HIV-Infektion informiert und ihn ansteckt

Der Fall des ehemaligen College-Ringers empörte damals nicht nur HIV-Aktivisten: Denn Missouri gibt es, wie in vielen anderen US-Bundesstaaten auch, ein Gesetz, das HIV-Positive ihre Sexualpartner verpflichtet, sie vor dem Sex über ihren Status aufzuklären. Wenn es dann zu einer HIV-Infektion kommt, beträgt die Mindesthaftstrafe zehn Jahre  – gleich viel wie bei vollendetem Totschlag.

Von den fünf Männern, mit denen der 23-Jährige ungeschützten Sex hatte, ohne sie von seiner Infektion zu informieren, wurde einer danach positiv auf HIV getestet. Michael J. wurde deshalb 2013 festgenommen, zwei Jahre später wurde ihm der Prozess gemacht.

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Ältere weiße heterosexuelle Geschworene verurteilten einen jungen schwulen Schwarzen

Die Geschworenen waren größtenteils weiß, älter, konservativ, HIV-negativ und heterosexuell. Sie verurteilten Michael J., der zuvor erfolgreich an der privaten Lindenwood University studiert hat und dort Mitglied im Wrestling-Team war, zunächst zu 60 Jahren Haft. „Die Staatsanwaltschaft hat sich die Aids-Angst in dem Verfahren zunutze gemacht, gepaart mit Rassismus und Homophobie“, ärgerte sich damals Anthony Rothert, Anwalt der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU. Ein Richter reduzierte die Strafe schließlich auf 30 Jahre.

Die Härte dieses Urteils überraschte damals auch seine ehemaligen Sexualpartner. Er hätte höchstens „wie in Kalifornien, sechs Monate bis ein Jahr“ ins Gefängnis gehen sollen, erklärte einer der Nebenkläger damals BuzzFeed. Dreißig Jahre Haft habe der ehemalige College-Ringer nicht verdient, das sagte er auch dem Staatsanwalt: „Es ist fifty-fifty: Ich bin verantwortlich, er ist verantwortlich.“

Nach einer Aufhebung des Urteils wegen Verfahrensfehlern kam es zu einem Deal

Im Dezember 2016 wurde das Urteil wegen Verfahrensfehlern aufgehoben: Der Richter habe beim ersten Verfahren Telefonate, die Michael J. nach seiner Verhaftung aus dem Gefängnis gemacht hatte, im Verfahren abspielen lassen, ohne sie zuvor dessen Anwälten vorgelegt zu haben. Über die Verfassungsmäßigkeit der Klage urteilten die Berufungsrichter nicht.

Daraufhin bot die Staatsanwaltschaft Michael J. einen Deal an: Zehn Jahre Haft, mit der Aussicht auf Bewährung. Der ehemalige College-Student nahm das Angebot an. Nun könnte er am 9. Oktober 2019 aus der Haftanstalt in Boonville entlassen werden – wenn er sich bis dahin hinter Gittern nichts zu Schulden kommen lässt. Dann wird er bis zum planmäßigen Ende seiner Strafe 2023 von Bewährungshelfern überwacht.  Bis zum Rest seines Lebens ist er als Sexualstraftäter gebrandmarkt.

In 33 US-Bundesstaaten wurden Gesetze gegen HIV-Positive beschlossen

Gesetze wie jenes, das Michael J. ins Gefängnis brachte, sind in den USA keine Seltenheit. Im Jahr 2011 gab es in 33 Bundesstaaten mindestens 67 Gesetze, die sich speziell an HIV-Positive richten. Sie wurden größtenteils im Zuge der „Aids-Panik“ in den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts verabschiedet – und können einen HIV-Positiven sogar dann hinter Gitter bringen, wenn er aufgrund seiner geringen Viruslast nicht mehr ansteckend ist und beim Sex ein Kondom verwendet hat.

Effektiv sind diese Gesetze nicht, betonen HIV-Experten. „Einen HIV-Positiven für Sex zu bestrafen, führt nach unserer jahrzehntelangen Erfahrung nur dazu, dass viele einfach nicht mehr zum Arzt gehen und sich nicht mehr testen lassen“, erklärt etwa der HIV-Experte Jeffrey Birnbaum. Auch Lawrence Lustberg, der Anwalt von Michael J., betonte, das Gesetz sei problematisch, weil es das Stigma und die Abneigung gegenüber Menschen, die mit HIV leben, fördere und so deren Menschenrechte verletze.

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