Samstag, 20. April 2024
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LGBT-Flüchtlinge in Österreich: Regierung stellt sich weiter taub

Das Schicksal von LGBT-Flüchtlingen ist zu oft von den Vorurteilen einzelner Beamter abhängig, kritisiert die SPÖ

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Drei Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aus den letzten Wochen sorgten in der Community für Aufregung und Empörung: So wurde der Antrag von Navid, einem Iraner, in erster Instanz abgewiesen, weil er die Bedeutung der Farben der Regenbogenflagge nicht kannte. Erst das Bundesverwaltungsgericht reparierte die Entscheidung.

Einem jungen Afghanen wurde Asyl in Österreich verwehrt, weil er dem Sachbearbeiter nicht schwul genug war. Der Mann wurde die Approbation, Asylbescheide auszustellen, vorübergehend entzogen. Über das Schicksal des Mannes entscheidet in den nächsten Monaten ebenfalls das BVwG.

Haben die negativen Asylbescheide bei LGBT-Flüchtlingen System?

Und in Graz erhielt ein 27-jähriger Iraker einen negativen Asylbescheid, weil ihm der Entscheider ebenfalls nicht glaubte, dass er schwul sei – obwohl er sogar bei den Rosalila PantherInnen (RLP), der steirischen LGBT-Organisation, mitarbeitet.

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„Wir glauben, dieses Vorgehen hat System“, sagt deshalb Joe Niedermayer, Obmann der RLP. Dort glaubt man wegen solcher Fälle, dass Flüchtlinge, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in Österreich Schutz suchen, vom BFA „offenbar systematisch abgeschoben“ werden.

Diese Fälle sind nur die Spitze eines Eisbergs

Auch beim Verein Queer Base, der mehr als 300 LGBT-Flüchtlinge betreut, häufen sich in letzter Zeit die negativen erstinstanzlichen Asylbescheide – teils mit haarsträubenden Begründungen und voller rechtlicher Fehler. Gegenüber der Berliner tageszeitung erklärt Ralph Guth, Rechtsberater von Queer Base, solche Fälle seien „nur die Spitze des Eisberges“.

Es gebe „viel mehr systematische und strukturelle Probleme im gesamten Asylverfahren in Österreich“, so Guth weiter. So mangle es an Schulungen in den Behörden oder legalen Fluchtwegen nach Österreich. „Die Absurdität die eigene sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität nachweisen zu müssen, ist – unabhängig von diesem Einzelfall – ein großes Probleme für alle unsere Klient*innen“, so der Rechtsberater weiter.

Ungeschulte Referenten, verunsicherte Flüchtlinge

Die Anhörungen seien von Vorurteilen der zuständigen Referenten geprägt. Diese „greifen in die Intimsphäre von Menschen ein und stellen ihnen Fragen, die nicht mit der Menschenwürde vereinbar sind“, so Guth: „Für Geflüchtete, die aus Ländern kommen, in der Sexualität ein Tabuthema und Homosexualität stigmatisiert sind, ist es eine besondere Stresssituation vor einer Beamtin plus Übersetzerin über die eigene sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität zu sprechen“.

Der politische Wille, an der Situation etwas zu ändern, scheint sich in Grenzen zu halten. Mario Lindner, offen schwuler Nationalratsabgeordneter und Gleichstellungssprecher der SPÖ, brachte zum Thema LGBT-Geflüchtete mehrere Anfragen ein. Das Ergebnis: „Die Antworten waren gelinde gesagt enttäuschend: Offizielle Statistiken zur Situation von LGBTIQ-Geflüchteten gibt es genau so wenig, wie spezielle Schulungsprogramme für diesen Bereich.“

Über LGBT-Flüchtlinge gibt es keine Statistiken, für ihre Behandlung keine speziellen Anleitungen

So gebe es für die Einzelfallprüfung „keine speziellen Regeln oder Anleitungen, die besonders im Fall von LGBTI-Flüchtlingen vorsehen, wann ein Fluchtgrund als zwingend glaubhaft anzusehen ist“, ließ Innenminister Herbert Kickl von der FPÖ Lindner bei der Beantwortung seiner Anfrage wissen.

Die Schlussfolgerung des SPÖ-Politikers ist enttäuschend: LGBT-Flüchtlinge seien „viel zu oft von den Vorurteilen einzelner Beamter abhängig. Es geht dabei um nicht weniger als die Frage, ob wir Menschen in ein Land zurückschicken, in dem ihnen wegen ihrer Sexualität oder Geschlechtsidentität Gewalt und Verfolgung drohen!“

Innenministerium übt Schadensbegrenzung – doch was bleibt davon?

Mittlerweile hat sich zumindest in den Ankündigungen des Innenministeriums etwas geändert. Nachdem der Fall des Afghanen, der sich angeblich nicht schwul genug verhielt, europaweit für Schlagzeilen sorgte, ließ das Innenministerium verlauten: „Gerade im Bereich LGBTIQ ist aktuell mit dem UNHCR eine gemeinsame, weiterführende Schulung in Planung.“

Was daraus wird, wenn der mediale Aufschrei verflogen ist, bleibt unklar. Lindner und die sozialdemokratische LGBT-Initiative SoHo kündigen daher in den kommenden Wochen parlamentarische Aktivitäten zu diesem Thema an. Als ersten Schritt wird es noch im August weitere Anfragen an die zuständigen Ministerien geben.

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