Dienstag, 23. April 2024
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[Video] Rumänien: Homofeindliches Referendum floppt

Für die regierenden Sozialdemokraten könnte es jetzt ernsthafte Probleme geben

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Beachtliche drei Millionen Stimmen sammelte die ultrakonservative Bewegung „Koalition für die Familie“ in Rumänien vor einigen Jahren, um eine Volksabstimmung zu erzwingen, mit der das Ehe-Verbot für gleichgeschlechtliche Paare in die Verfassung aufgenommen werden sollte.

Am Wochenende fand dieses Referendum nach jahrelangen Verzögerungen statt. Allerdings: Viel mehr Menschen als damals unterschrieben es nicht. Trotz aller Tricks der Regierung erreichte die Abstimmung nicht die für eine Gültigkeit erforderlichen Stimmen.

Die Boykott-Aufrufe der Zivilgesellschaft haben funktioniert

Von den mehr als 18 Millionen registrierten Wählen stimmten nur 3,7 Millionen ab – das sind 20,41 Prozent. Es war die niedrigste Wahlbeteiligung in Rumänien seit dem Fall des Kommunismus. Damit das Referendum aber gültig ist, hätten mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten abstimmen müssen.

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Die Opposition, Künstler, Geistesschaffende, mehrere Bürgerrechtsorganisationen und die evangelische Kirche hatten im Vorfeld unter dem Hashtag „#staiacasa“ (Bleib‘ zu Hause) zum Boykott der insgesamt 35 Millionen Euro teuren Abstimmung aufgerufen. Sie sei „zutiefst antieuropäisch“, argumentierten die Vertreter der Zivilgesellschaft.

Kirchen-Herrschaft und Scheiterhaufen als schreckliche Zukunftsvision

Die Bukarester Werbeagentur Papaya produzierte sogar ein Video, das in drastischen Bildern zeigen sollte, was passieren könnte, wenn das Referendum Erfolg haben sollte: Eine Herrschaft der Kirche, inklusive Hexenverbrennungen. Innerhalb weniger Tage erreichte das Video fast eine Million Aufrufe.

Die Warnrufe hatten Erfolg: Das Referendum wurde damit zum Rohrkrepierer für die herrschenden und skandalgeschüttelten Sozialdemokraten (PSD) und die rumänisch-orthodoxe Kirche. Dabei hat Ministerpräsidentin Viktoria Dăncilă erstmals in der Geschichte des Landes verfügt, dass die Wahllokale zwei Tage statt bisher nur am Sonntag offen bleiben.

Der Versuch der Sozialdemokraten, mit dem Referendum von ihren Skandalen abzulenken, ging gründlich schief

Damit wollte die PSD auch von ihren eigenen Skandalen ablenken. Nach Korruptionsvorwürfen demonstrierten in den letzten Monaten hunderttausende Menschen auf den Straßen Rumäniens. Der fehlende Rückhalt in der Bevölkerung sollte wettgemacht werden – auf dem Rücken von Lesben und Schwulen.

Für Beobachter der politischen Szene in Rumänien ist der Misserfolg nicht einmal ein Jahr vor den Wahlen damit eine deutliche Ohrfeige für die PSD, die rumänisch-orthodoxe Kirche, und die „Koalition für die Familie“, einer Allianz von ultrakonservativen Organisationen, die hinter dem Referendum steht.

Die Kirche hat ihren Einfluss offenbar deutlich überschätzt

Für den Politologen Cristian Parvulescu ist das Ergebnis ein „deutliches Signal“ der Bürger an die Regierung, er rechnet mit einem „Erdbeben“ in „so manchen Parteien, allen voran in der PSD“. Auch die Kirche habe ihren Einfluss auf die mehrheitlich gläubige Bevölkerung offenbar überschätzt, so der Soziologe Gelu Duminica.

Doch die Betroffenen scheinen daraus nichts gelernt zu haben – stattdessen schieben sie sich gegenseitig die Schuld am Misserfolg zu. Die „Koalition für die Familie“ beschuldigt die PSD, nicht ausreichend für das Referendum und „den Schutz der Christen in Rumänien“ geworben zu haben.

Ein Sprecher der Partei meinte hingegen, dass die „Aufwiegelungen“ von Staatspräsident Klaus Johannis und der bürgerlichen Oppositionspartei USR zu diesem „für Abermillionen Rumänen traurigen Ausgang“ geführt hätten. Parteichef Liviu Dragnea und Ministerpräsidentin Dăncilă äußerten sich selbst bis jetzt nicht zu dem Flop.

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