Samstag, 20. April 2024
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Ehe für alle: Ministerium diskriminiert, Wien knickt ein

Noch immer darf nicht jedes schwule oder lesbische Paar in Österreich heiraten.

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Am 1. Jänner 2019 wurde in Österreich die Ehe für alle geöffnet – und trotzdem kann nicht jedes Paar heiraten. Denn das Innenministerium schließt durch eine einfache E-Mail die meisten binationalen Lesben- und Schwulenpaare von ihrem Recht, eine Ehe zu begründen, aus und bestraft auch Paare, die zuvor im Ausland geheiratet haben.

Keine Ehe-Öffnung für die meisten gleichgeschlechtlichen Paare

Denn aus der Wiener Herrengasse kam am 2. Jänner per E-Mail eine brisante Mitteilungen an alle Landesregierungen und die zuständigen Wiener Magistrate: Wenn der Herkunftsstaat des Ehepartners die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare verbiete, so gelte das auch in Österreich. Betroffene Paare könnten stattdessen eine Eingetragene Partnerschaft (EP) eingehen.

Und auch gleichgeschlechtliche Ehen, die im Ausland vor dem 1. Jänner 2019 geschlossen wurden, werden der Mitteilung des Innenministeriums zufolge in Österreich nicht anerkannt – obwohl sie in dem Land, in dem sie geschlossen wurden Gültigkeit haben – und eventuell auch in vielen anderen Staaten.

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Auch wer im Ausland vor dem 1. Jänner geheiratet hat, hat Pech

So berichtet der Standard über ein schwules Männerpaar, das 2015 in Portugal, der Heimat eines der beiden Männer, geheiratet hat. Als sie ihre Ehe auch in Wien als solche anerkennen wollten, blitzten sie beim Standesamt ab. Um auch hier als verheiratet zu gelten, müssten sie sich auch in Österreich das Ja-Wort geben, hieß es.

Sämtliche österreichische Standesämter, auch in Wien, halten sich also an die Mail des Innenministeriums. Und das, obwohl die es gar nicht müssten: Denn dass gleichgeschlechtliche Ehen, die vor 2019 im Ausland geschlossen wurden, nicht anerkannt werden sollen, hat die Stadt Wien telefonisch erfahren.

Verbindliche Bestimmungen aus dem Innenministerium soll es erst im März geben

Sowohl diese Auskunft als auch die Mail vom 2. Jänner gehörten nicht zu den Durchführungsbestimmungen für die Ehe für alle, die das Innenministerium mittlerweile bis März, drei Monate nach Inkrafttreten, angekündigt hat. Allerdings seien sie „als verbindlich anzunehmen“, wie das Ministerium der Stadt Wien mehrmals versicherte. Juristen der Stadt haben diese Ansicht auch bestätigt.

Einer, der das anders sieht, ist der Wiener Bürgerrechtsanwalt Helmut Graupner. „Verbindlich ist an diesen Mitteilungen gar nichts. Weder das Telefonat noch das Schreiben sind eine Weisung oder ein Erlass“, ärgert sich der Vorsitzende des Rechtskomitee Lambda (RKL) gegenüber dem Standard.

Das Schreiben sei nur ein „Nachtrag“ zu einer Mitteilung aus dem Dezember, in dem das Innenministerium den Standesämtern empfiehlt, dass sich Paare in einer Eingetragenen Partnerschaft vor der Eheschließung nicht scheiden lassen müssen – eine Rechtsauffassung, die Graupner schon Wochen zuvor vertrat.

Graupner ist bestürzt über die Boshaftigkeit des Bundes – und die mangelnde Standhaftigkeit von Wien

„Wir sind bestürzt über die ungebrochen boshafte Diskriminierungslust im Bund und schwer enttäuscht über die Stadt Wien, die die Standhaftigkeit einer Feder aufweist“, so Graupner in einer Stellungnahme: „Noch im Dezember hat die Stadt angekündigt, dass sie eigene Wege gehen werde“ Damals kündigte die Stadt an, Wien im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen anzuerkennen und den Paaren die Heirat zu gestatten „wenn sie in Österreich leben“.

Doch jetzt hält sich die Stadt an die Empfehlungen des Innenministeriums, auch wenn Gleichbehandlungsstadtrat Jürgen Czernohorszky diese als „Chaos“ und „Schikanen“ bezeichnet. Die Ehen betroffener Paare werden nicht anerkannt, andere können gar nicht heiraten. Die Empfehlung eines Sprechers des zuständigen Stadtrats Peter Hanke: Den Paaren würde ein negativer Bescheid ausgestellt – „So können sie den Rechtsweg beschreiten“.

Und das dürfte Graupner auch machen: „Es ist wahrhaft traurig, dass wir, trotz der mehrfach klaren Worte des Verfassungsgerichtshofs, immer noch jeden Millimeter Diskriminierungsabbau vor den Gerichten hart erkämpfen müssen“, so der RKL-Präsident.

Auch NEOS und Grüne kritisieren „bürokratische Bösartigkeiten“

Kritik an der Regelung kommt auch von den NEOS. Sie fordern das Innenministerium auf, „bürokratische Bösartigkeiten“ sofort zu beenden. Das Verbot für binationale Ehen, wenn ein Partner aus einem Drittland kommt, das keine Ehe für alle kennt, sei willkürlich und nicht nachvollziehbar, so der stellvertretende Klubchef Nikolaus Scherak.

Für Ewa Dziedzic, Bundesrätin der Grünen und Bundessprecherin der Grünen Andersrum, ist die so geschaffene Rechtsunsicherheit „unerträglich“: „Im Besonderen trägt Innenminister Kickl durch seine Weisung an die Standesämter Verantwortung für das Chaos. Dass nach einem VfGH-Urteil und erfolgter Ehe-Öffnung in Österreich die Menschen auf Grund des Dilettantismus oder gar bewusster Bösartigkeit des Ministers weiter schikaniert werden, ist ein weiteres Armutszeugnis dieser Regierung“, so Dziedzic.

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