Samstag, 20. April 2024
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Mord an lesbischer Stadträtin: Die Spur führt in Bolsonaros Umfeld

Die Familie des brasilianischen Präsidenten stand den Mördern von Marielle Franco erstaunlich nah

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Vor genau einem Jahr ist Marielle Franco, offen lesbische Stadträtin von Rio de Janeiro, erschossen worden. Nun tauchen immer mehr Verbindungen zwischen den mutmaßlichen Tätern und dem rechtsextremen und homophoben Staatschef Jair Bolsonaro auf.

Marielle Franco wollte gegen Korruption und Gewalt kämpfen und musste deshalb sterben

Franco war der Shootingstar der brasilianischen Linken: Sie war jung, schwarz, lebte offen lesbisch und war in einer Favela, den Elendsviertel von Rio de Janeiro, aufgewachsen. Als Stadträtin engagierte sie sich gegen Gewalt und Korruption in den Favelas: Diese werden von Verbrechersyndikaten kontrolliert, die meist aus ehemaligen Polizisten bestehen und gute Verbindungen in die Lokalpolitik haben.

Mit ihrem Einsatz für die Rechte schwarzer Frauen und für die LGBTI-Community sowie gegen Polizeigewalt und Milizen in Favelas brachte Franco diese Milizen gegen sich auf. Am späten Abend des 14. März wurde sie in ihrem Wagen erschossen, als sie gerade von einem Termin nach Hause kam. Aus einem Wagen wurden 13 Schüsse abgegeben, im Kugelhagel starb auch Francos Fahrer Anderson Gomes.

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Eine Miliz von ehemaligen Militärs mit Verbindung zum Präsidenten steht hinter dem Mordanschlag an Franco

Die Ermittlungen ergaben, dass die Kugeln, durch die Franco und ihr Fahrer starben, aus den Beständen der Militärpolizei kamen. Dieses Jahr wurden in dem Fall 13 Haftbefehle Mitglieder der Miliz „Escritorio do Crime“ („Büro des Verbrechens“) erlassen. Der Mord wurde offenbar akribisch geplant: Die Überwachungskameras am Tatort wurden Stunden vor der Tat abgeschaltet.

Einer der Chefs dieser Miliz, Adriano Magalhees da Nobrega, hat beste Verbindungen zu Bolsonaros Sohn Flavio. Dieser hat Nobrega sogar für eine Verdienstmedaille vorgeschlagen und beschäftigte in seinem Abgeordnetenbüro zeitweise die Ehefrau und die Mutter des ehemaligen Hauptmanns der Polizeispezialeinheit Bope. Er soll in den Mord an Franco verwickelt sein und ist derzeit auf der Flucht.

Die Tochter des Schützen war mit dem Sohn von Bolsonaro liiert, sie wohnten im gleichen Gebäude

Als Schützen wurden zwei ehemalige Militärpolizisten identifiziert, die sich der kriminellen Miliz angeschlossen hatten. Auch sie haben Verbindungen zum umstrittenen Präsidenten: Der 48 Jahre alte Ronnie Lessa, angeblich der Todesschütze, wurde am Dienstag in einem Wohngebäude festgenommen, in dem auch Bolsonaro ein Apartment hat.

Die Polizei bemühte sich zu betonen, dass diese beiden Fakten nicht zusammenhängen. „Es gibt keine direkte Beziehung zur Bolsonaro-Familie, wir haben nichts entdeckt“, so Polizeikommissar Giniton Lages bei einer Pressekonferenz. Doch Lessas Tochter war zeitweise mit Bolsonaros zweitältestem Sohn Carlos liiert.

Der zweite mutmaßliche Täter ist Elcio Vieira de Queiroz. Der 46-Jährige soll bei dem Attentat das Auto gefahren haben. Seine Verbindung zu Bolsonaro: Er postete auf seiner Facebook-Seite ein Foto von sich und dem Präsidenten, auf dem sie sich grinsend umarmen.

Für die Staatsanwaltschaft ist der Mord an Franco ein „Schlag gegen den demokratischen Rechtsstaat“

Die Polizei bemüht sich, alle Indizien, die in Richtung eines politischen Mordes gehen, kleinzureden. Man könne auch ein Hassverbrechen an der offen lesbischen Stadträtin nicht ausschließen, betonte Langes bei der Polizei-Pressekonferenz.

Doch die Staatsanwaltschaft ist offenbar anderer Meinung. „Es ist unumstritten, dass Marielle Francisco da Silva wegen ihrer politischen Aktivitäten hingerichtet wurde. Die in der Nacht auf den 14. März 2018 praktizierte Barbarei war ein Schlag gegen den demokratischen Rechtsstaat“, ließ sie unmissverständlich mitteilen.

Die Bevölkerung hat Marielle Franco nicht vergessen

Die Bevölkerung von Rio de Janeiro hat auf jeden Fall Marielle Franco nicht vergessen. Beim diesjährigen Karneval gewann den Wettbewerb der Sambaschulen die Schule Mangueira, die bei ihrer Parade Marielle Franco würdigte und an ihren unaufgeklärten Tod erinnerte.

Zu ihrem Todestag gab es außerdem in ganz Brasilien zahlreiche Veranstaltungen und Kundgebungen. In Rio de Janeiro, ihrer Heimatstadt, finden den ganzen Tag politische und kulturelle Veranstaltungen statt. An der öffentlichen Universität des Bundesstaates Minas Gerais sind für die gesamte Woche Veranstaltungen geplant.

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