Freitag, 29. März 2024
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Gedanken eines schwulen Mannes zur EuroPride in Wien

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Die Parade heuer war fantastisch!

Doch leider habe ich mich als schwuler Mann von der Organisation der EuroPride Vienna 2019 kaum vertreten gefühlt: Am Schlimmsten war es beim Abschluss im Pride Village am Rathausplatz, wo schwule Männer im offiziellen Programm fast unsichtbar waren.

Dabei finde ich, dass Sichtbarkeit das Wichtigste bei der Pride ist.

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Sichtbarkeit nach außen ist ein gesellschaftliches Zeichen: Wir als Community machen auf uns aufmerksam, wir zeigen, dass es uns gibt und fordern unsere gleichen Rechte ein.

Wo war die Sichtbarkeit in der Stadt?

Sichtbarkeit hätte ich mir von den (großen) Museen in Wien gewünscht. Leider habe ich keine Regenbogenfahnen beim MuseumsQuartier, dem Kunsthistorischen oder dem Naturhistorischen Museum gesehen.

Peinlich fand ich es für die Wiener Wirtschaft, dass auf der Mariahilfer Straße nur eine Auslage beim Gerngross auf die heurigen Pride hingewiesen hat. Das konterkarierte die Anwesenheit des WKO-Zeltes im Pride Village besonders, von den ganzen anderen nicht-beflaggten Einkaufsstraßen Wiens gar zu schweigen. Sichtbarkeit findet auf der Straße statt, nicht nur in einem eingezäunten Bereich für ein paar Tage.

Sichtbarkeit stärkt jede einzelne LGBTIQ+-Person

Damit die Sichtbarkeit nach außen funktioniert und wir stark genug sind für unsere Rechte und unseren Platz in der Gesellschaft standhaft zu stehen, müssen wir die Kraft aufbringen können, zu uns selbst zu stehen.

Deshalb ist Sichtbarkeit bei Veranstaltungen wie die Pride in erster Linie eine Bestätigung für jede einzelne LGBTIQ+-Person, weil diese Sichtbarkeit für eine innere Stärkung und eine Bekräftigung der eigenen Identität sorgt.

Mein Mann und ich fügten uns am Samstag bei der Oper in den Paradenzug ein und sahen, soweit das Auge über den Ring reichte, vor und hinter uns eine unglaublich bunte, vielfältige und riesige Menschenmenge, die gemeinsam das Leben feierte.

Es ist bestärkend zu fühlen, dass man nicht alleine ist

Ich war ob diesem Anblick überwältigt, obwohl ich seit Jahren an der Parade teilnehme und im täglichen Leben offen als schwuler Mann lebe. Ich fand es extrem bestärkend, erneut zu spüren und zu sehen: Ich bin nicht alleine. Es gibt Menschen wie ich, die anders sind. Die dazu stehen, wer sie sind. Das gibt Kraft, Kraft sich selbst zu sein und so gemeinsam diese Kraft für gesellschaftliche Akzeptanz und Veränderung aufbringen zu können.

Sichtbarkeit kreiert Verbundenheit: Zwischen mir als schwuler Mann und anderen schwulen Männern untereinander. Aber diese Sichtbarkeit schafft genauso eine Verbundenheit mit all meinen Schwestern und Brüdern aus der gesamte LGBTIQ+-Community.

Wir brauchen so viele Identitäten wie möglich als Role Model

Deshalb brauchen wir im täglichen Leben viel mehr weibliche Rolemodels, damit Mädchen von klein auf sehen: Ich kann auch Bundespräsidentin, Ingenieurin oder CEO werden. Deshalb brauchen wir endlich People of Color in den österreichischen Medien, damit ein ausgewogeneres Programm erreicht werden kann. Deshalb sollten auch so viele Identitäten wie möglich auf der Pride vertreten sein.

Und deshalb ist es ein Problem, wenn ich höre, dass zum Beispiel rein schwule (lese: männliche) Vereine wie die LMC Vienna kein Zelt im Pride Village bekommen haben und das Vienna Fetish Spring-Festival ohne Ankündigung aus dem offiziellen Programm der Pride gestrichen wurde.

Deshalb ist es ein Schlag ins Gesicht aller schwulen männlichen Sänger in Österreich, wenn sie nicht einmal eine Absage für einen Auftritt am Pride bekommen und unter der Hand kommuniziert und von oberste Stelle bestätigt wird, dass es genug weiße, männliche Sänger im Programm gibt.

Ich bewundere Conchita Wurst und finde sie großartig, nur sie war der einzige Act beim Abschluss der Pride mit einer männlichen Verbindung.

Wo waren die schwulen Männer bei der Abschlussfeier der Parade?

Der Überraschungs-Act Pussy Riot war natürlich ein tolles Statement und ein feministischer Coup für die Organisation. Leider durften sie ein ganzes Konzert spielen, mit dem für diese Band anscheinend typischem aggressivem Frauenpower-Schreigesang, was spätestens nach der dritten Nummer die Party-Stimmung für viele komplett zerstört hat.

Ich denke, ein ganzes Pussy Riot-Konzert hätte wunderbar in den medial völlig unterrepräsentierten Pride Park bei der Votiv-Kirche gepasst, der als Alternative zum kommerziellen Pride Village angekündigt worden war.

Wenn ich als schwuler Mann bei der Abschlussfeier der Pride auf der Bühne einen ganzen Abend lang keine einzige männliche schwulen Person sehe, dann kann ich mich noch so identifizieren und solidarisieren mit feministischen Anliegen, mit Sängerinnen, die über ihre abgeschnittenen langen Haare laborieren, mit unterdrückten süd-amerikanischen Frauen und mit wütenden Rapperinnen, aber vertreten fühle ich mich nicht. Eher verarscht.

Wir dürfen die diskriminierenden Fehler der Gesellschaft nicht wiederholen

Dank all diesen und viel mehr Fehlern vergrault die EuroPride Vienna 2019 einen sehr großen Teil der schwulen Community, die sich auf dieser Pride kaum vertreten sah.

Sichtbarkeit ist der Grund warum wir marschieren, um gleiche Rechte, Anerkennung und Respekt in der Gesellschaft einzufordern.

Die diskriminierenden Fehler dieser Gesellschaft brauchen wir nicht zu wiederholen.

Lars van Roosendaal (*1977, Leiden, Niederlande) ist Illustrator und Designer. Er kreiert Urban Sketches, Illustrationen für Magazine, Bücher, Plakate und Musikalben sowie Kunstinstallationen im öffentlichen Raum. Er lebt und arbeitet mit seinem Mann Mario Amiro in Wien.

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