
Genau 50 Jahre, nachdem sich Schwule und Lesben im New Yorker Stonewall Inn gegen Polizeiwillkür wehrten, spürten die Teilnehmer des 17. Pride Marsches in Istanbul am eigenen Leib, dass dieser Kampf nicht vorbei ist. Tausende Teilnehmer demonstrierten trotz eines offiziellen Veranstaltungsverbots. Die Demonstration am Sonntagnachmittag begann friedlich – bis sie von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurde.
Der neue Bürgermeister distanzierte sich vom Pride-Verbot des Gouverneurs – kann aber nichts dagegen machen
Wie auch in den letzten Jahren hatte der für Demonstrationen unf Polizei zuständige Gouverneur Vasip Şahin von der rechtskonservativen Regierungspartei AKP die Demonstration im Vorfeld verboten. Das kritisierte unter anderen der frisch gewählte Bürgermeister Ekrem İmamoğlu von ser sozialdemokratischen CHP. Er distanzierte sich am Freitag bei einer Pressekonferenz von dem Verbot und betonte, dass jede Gruppe die Möglichkeit haben sollte, friedlich zu demonstrieren.
Die Organisatoren haben nach dem Verbot der Kundgebung angekündigt, das Verbot wie auch in den letzten Jahren zu missachten und den „Marsch des Stolzes“ durchzuführen. Sie riefen dazu auf, zum Abschluss der Pride-Woche zur Verlesung eines Pride-Manifests in die Innenstadt von Istanbul zu kommen.
Eine kurze Kundgebung wurde schließlich von der Polizei geduldet
Kurz vor dem geplanten Beginn hieß es, die Veranstalter hätten mit der Polizei eine Vereinbarung getroffen, eine 30-minütige Kundgebung in der Mis-Straße, einer dunklen Seitenstraße im Szeneviertel Beyoğlu, abhalten zu dürfen.
Dort versammelten sich dann auch tausende Menschen mit Regenbogen- und Transflaggen. Unterstützung bekamen die Teilnehmer dabei auch von Bezirkspolitikern der CHP und der prokurdischen HPD, die an der Kundgebung teilnahmen. Diese Versammlung verlief nach bisherigen Informationen gewaltfrei.
Die Polizei verhinderte kleinere Kundgebungen teilweise mit Gewalt
Danach zerstreuten sich viele Teilnehmer, um in kleineren Gruppen in der Innenstadt weiter zu demonstrieren. Das wollte die Polizei verhindern: Sie blockierte die Straßen an mehreren Stellen, um die Teilnehmer daran zu hindern weiterzuziehen.
Trotzdem kam es im Laufe des Nachmittags und frühen Abends immer wieder zu kleineren Kundgebungen in der Innenstadt. Beobachtern zufolge setzte die Polizei Tränengas und Gummigeschosse ein, um die Versammlungen aufzulösen. Vorbereitete Wasserwerfer kamen dabei offenbar nicht zum Einsatz. Insgesamt sollen fünf Personen festgenommen worden sein.
Die Lage für sexuelle Minderheiten in der Türkei ist prekär
Die Lage für sexuelle Minderheiten in der Türkei ist weiterhin prekär: So ist die Polizei letzte Woche zum ersten Mal gegen den Pride-Marsch in Izmir, der drittgrößten Stadt der Türkei vorgegangen. Die Polizei setzte auch hier Tränengas ein und nahm 16 Menschen vorläufig fest.
Dass es auch anders geht, beweist die Geschichte des „Marsch des Stolzes“ in Istanbul, Denn mehr als zehn Jahre konnte dieser unbehelligt durch das historische Zentrum der größten türkischen Stadt ziehen. Zehntausende Menschen feierten die Demonstration der gleichen Rechte – bis sie 2015 zum ersten Mal von einem AKP-Gouverneur verboten wurde.