Samstag, 20. April 2024
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Südkorea: Angst vor Homophobie und Zwangsouting durch Corona-Maßnahmen

Angst der Besucher querer Clubs verzögerte den Kampf gegen das Virus

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In Südkorea gab es am Wochenende den stärksten Anstieg an neu entdeckten Corona-Infektionen seit Wochen. Weil dieser seinen Ursprung im LGBTI-Viertel der Hauptstadt Seoul hat, fürchtet die Community des Landes nun verstärkte Homophobie und Zwangsoutings – die Behörden stellt diese Situation vor einige Herausforderungen.

Das transparente Tracking-System in Südkorea bekämpft nicht nur den Coronavirus – sondern kann auch Lesben und Schwule outen

Denn eigentlich müssen Lokalbesucher in Südkorea derzeit ihre Kontaktdaten bekanntgeben, damit sie im Fall einer Neuinfektion leichter gefunden, getestet und unter Quarantäne gestellt werden können. Doch viele Besucher der Lokale am „Homo Hill“ im Ausgehviertel Itaewon haben falsche Namen oder Telefonnummern angegeben.

Denn Homosexualität ist in dem südostasiatischen Land zwar legal, aber gesellschaftlich geächtet. In den letzten Jahren haben homophobe ultrakonservative Kirchen an Macht gewonnen. Viele Schwule und Lesben fürchten deshalb, durch das aggressiv-transparente System von Tracking und Testen in Südkorea gegen ihren Willen geoutet zu werden.

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Falsche Daten aus Angst vor einem Outing verzögerten die Arbeit der Behörden

Und um Kontaktpersonen von Infizierten schnell zu finden, nutzen die Behörden nicht nur Handy- und Kreditkartendaten oder Bilder von Überwachungskameras. Sie veröffentlichen im Internet neben den besuchten Orten auch das Alter und das Geschlecht der Infizierten – eine Situation, die ungeoutet lebende Lesben und Schwule mit allen Mitteln verhindern wollen.

Deshalb wussten die lokalen Behörden zunächst nicht, wer in den gleichen Lokalen war wie jener 29-Jährige, der Anfang Mai die Lockerung der Ausgangsbeschränkungen in gleich fünf queeren Bars und Discos gefeiert hat – und danach positiv auf den Coronavirus getestet wurde. 

Mittlerweile gehen die Behörden zwar davon aus, dass auch andere Besucher der Lokale in Itaewon das Virus weitergegeben haben – doch das Problem und die Zahl der möglicherweise Betroffenen werden dadurch nicht gerade kleiner.

Erst, als der Bürgermeister anonyme Tests versprochen hatte, begannen die Menschen, sich zu melden

In einem ersten Schritt hat die Stadtverwaltung deshalb von den Mobilfunkbetreibern die Daten von 10.905 Menschen bekommen, die sich in den vergangenen zwei Wochen in Itaewon aufgehalten haben. Sie wurden per SMS aufgefordert, sich auf das Coronavirus testen zu lassen.

Eine Aufforderung, die zunächst nicht von großem Erfolg gekrönt war. Erst, nachdem Seouls Bürgermeister Park Won Soon den Betroffenen kostenlose und anonyme Tests versprochen hat, kamen die Tests in Schwung, insgesamt hat sich die Zahl der Getesteten nach der Ankündigung verdoppelt.

Bis jetzt wurden gut 7.000 Betroffene getestet. Fast 2.000 Menschen waren aber bis jetzt nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde aber nicht erreichbar. Sie sollen nun mit Hilfe Tausender Polizisten gesucht werden.

Medien veröffentlichen die Namen und Arbeitsplätze der Club-Besucher

Und die Zeit eilt: Bis Montag ermittelten die Behörden 86 neue Coronavirus-Infektionen, die mit Itaewon in Verbindung stehen. Darunter sind 63 Klubbesucher und 21 Familienangehörige und Freunde, wie das südkoreanische Seuchenkontrollzentrum bekanntgegeben hat. 

Die Angst, einen Besuch im Schwulenviertel von Seoul zugeben zu müssen, kann also Menschenleben gefährden. Eine Angst, die nicht unbegründet ist: Allein die Tatsache, dass es in Szenelokalen zu zahlreichen Ansteckungen kam, löste im Internet eine Welle an Hetz-Kommentaren aus. Einige Medien verrieten unter anderem Namen und Arbeitsplätze von Besuchern der queeren Clubs.

In der Community von Seoul herrsche derzeit regelrechte Panik, berichtet der queere Künstler Heezy Yang. „Wir wissen, welche Folgen die HIV-Epidemie in unserer Community hatte“, so der 29-Jährige, Und auch, wenn Politiker und Experten davor warnen, einer bestimmten Gruppe die Schuld an den neuen Corona-Fällen zu geben – die Lage für sexuelle Minderheiten wird sich in Südkorea nun länger nicht verbessern.

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