Samstag, 20. April 2024
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Türkei verbietet Dreharbeiten einer Serie mit einer queeren Figur

Netflix streicht lieber die Serie, als das Drehbuch umzuschreiben

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Weil die Regierung in Ankara keine homosexuelle Figur in einer Serie akzeptieren wollte, hat der Streaming-Gigant Netflix die Produktion einer türkischen Serie vollständig abgesagt. Die Opposition kritisiert die Einmischung der Behörde in den Inhalt der Serie.

Keine Filmlizenz wegen einer homosexuellen Figur: „Beängstigend für die Zukunft“

Wie die Produzenten des achtteiligen Beziehungsdramas „Şimdiki Aklım Olsaydı“ („Wenn ich jetzt meine Gedanken hätte“) berichteten, hatten sie von der zuständigen Behörde keine Filmlizenz erhalten, weil eine homosexuelle Figur in der Serie vorkommen sollte. Daraufhin wurden die Dreharbeiten kurz vor Beginn abgesagt.

„Wegen einer homosexuellen Figur wurde die Filmerlaubnis nicht erteilt. Das ist sehr beängstigend für die Zukunft“, erklärte Drehnuch-Autorin Ece Yörenç. Dabei hätte es in der Serie keine gleichgeschlechtliche Sex-Szene gegeben, Ihr zufolge wäre es nicht einmal zu physischem Kontakt zwischen der queeren Figut und anderen gekommen.

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„Müssen wir alles toll finden, was Netflix macht?“ fragt der AKP-Sprecher

Mittlerweile hat Mahir Ünal, Sprecher der konservativen regierenden AKP von Präsident Erdogan, der Financial Times bestätigt, dass die Behörde Sorgen wegen des Inhalts gehabt hatte. „Müssen wir alles toll finden, was Netflix macht?“, fragte er provokativ.

Netflix wollte die Serie 2021 veröffentlichen, auch international unter dem Titel „If Only“.In der Serie geht es um eine unglücklich verheiratete Frau mit Kindern, die durch eine Zeitreise einen Neuanfang machen kann. Yörenç erklärte, dass Netflix alle Beteiligten an dem Projekt wie vereinbart bezahlt habe.

Kritik an der Entscheidung kommt von der Opposition

Die oppositionelle CHP kritisierte die Entscheidung der Behörden, der Serie die Filmlizenz zu verweigern. Ilhan Tasci, der für die CHP im Vorstand der Rundfunkbehörde sitzt, hat deren Einmischung in eine künstlerische Produktion verurteilt. Er beschuldigte die Regierung, der ganzen Gesellschaft ihre Weltanschauung aufzudrängen. „Sie wollen, dass die ganze Türkei, ein Land mit 83 Millionen Einwohnern, so denkt wie sie“, ärgert er sich.

Der US-amerikanische Streamingriese hatte Ende letzten Jahres in der Türkei etwa 1,5 Millionen Kunden. Nach Informationen des Finanznachrichtendienstes Bloomberg ist diese Zahl durch die Corona-Krise aber deutlich angestiegen. Der US-Konzern muss sich auch gegen starke türkische Konkurrenz durchsetzen, die meistens von Freunden und Gefolgsleuten der regierenden AKP kontrolliert werden.

Die Regierung nutzt die Vorbehalte gegenüber queeren Menschen, um von ihren eigenen Fehlern abzulenken

Bereits im April hatte Netflix in der Türkei für Diskussionen gesorgt, als Gerüchte aufgekommen waren, dass in der türkischen Teenie-Serie „Love 101“ eine schwule Figur mitspielen sollte. Letztendlich bestätigte sich dieses Gerücht nicht, bei einer der männlichen Hauptfiguren wurde die sexuelle Orientierung aber offen gelassen.

Homosexualität ist in der Türkei zwar legal, allerdings berichten Angehörige sexueller Minderheiten immer wieder von Übergriffen und Bewlästigungen. Auch nutzt die konservative Regierung die Vorbehalte queeren Menschen gegenüber, um von ihren eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken.

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