Mittwoch, 24. April 2024
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Zu viel geheuchelt: Konservativer Polit-Jungstar in Polen geoutet

Zuvor hatte er erklärt, LGBT-Fleischer in San Francisco seien eine Gefahr für Polen

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Wenn es darum geht, Angst vor sexuellen Minderheiten zu erzeugen, ist der konservative Parlamentsabgeordnete Jan Kanthak stets dabei., Privat scheint das Mitglied der PiS-Abspaltung “Solidarisches Polen” (SP) weniger Berührungsängste vor der “LGBT-Ideologie” zu haben: So soll er vor einigen Jahren einen anderen Mann in einem Warschauer Club recht intensiv um Oralsex gefragt haben. 

Für einen konservativen Politiker ist „dieses LGBT-Virus“ gefährlicher als Corona

Die Affäre begann letzte Woche, als Grzegorz Wierzchowski, Dezernent für Bildung in der Provinz Lodz, in einem katholischen Fernsehsender davon sprach, dass “dieses LGBT-Virus, ein Virus der Ideologie, viel gefährlicher ist als das Coronavirus”: Es entmenschliche die Gesellschaft und junge Menschen und sei eine “Mutation des Marxismus”, so der Dezernent. 

Eine Welle der Empörung breitete sich aus – und zur Verteidigung der Aussagen trat auch Jan Kanthak hervor – ein karrierebewusster 29-Jähriger, der für die konservative PiS-Abspaltung “Solidarisches Polen” (SP) im Parlament sitzt. Er versuchte, die Aussagen in einer Sendung des Nachrichtensenders TVN 24 zu rechtfertigen. 

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Jan Kanthak konnte die „LGBT-Ideologie“ nicht erklären – und sprach stattdessen von Regenbogenfleischern

Doch das ging gründlich schief. Zunächst konnte er nicht genau erklären, was er unter “LGBT-Ideologie” verstehe, nannte dann aber fünf Beispiele – darunter auch seine Erinnerungen an einen Besuch in San Francisco. Dort habe er “im Viertel Cruz von Mr. Milk” eigene Buchhandlungen, Kinos und “sogar Fleischereien für LGBT” gesehen, erklärte er. 

In Sozialen Medien führten diese Äußerungen zu Spott und Verwunderung – nicht nur, weil das Viertel nicht “Cruz” sondern Castro heißt. Aber vielleicht war es auch ein freudscher Versprecher, weil er dort cruisen war, vermuteten User. “Sie wissen, dass die größte Bedrohung für Polen LGBT-Fleischer in San Francisco sind”, ätzte der offen schwule linke Politiker Robert Biedroń.  

Was hat der Polit-Jungstar wohl im Schwulenviertel von San Francisco gemacht?

Andere User fragten sich, was ein homophober Politiker im Schwulenviertel von San Francsico gemacht haben könnte. Eine etwas unerwartete Antwort darauf könnte Michal Kowalówka, Assistent der linken Sejm-Abgeordneten Darii Gosek-Popiolek, haben. 

Po wstrętnych atakach J. Kanthaka wymierzonymi w LGBT+ podjąłem decyzję (nie znoszę hipokryzji i szczucia na mniejszości) o ujawnieniu faktu: przed laty w 2011r. w krk klubie Kitsch Janek – wtedy mi nieznany – wielokrotnie i obcesowo nagabywał mnie swoją ofertą seksu oralnego.

— Michał Kowalówka (@michalkowalowka) August 25, 2020

Da er Heuchelei hasse, habe er sich nach Kanthaks “abscheulichen Angriffen gegen LGBT+” entschieden, über einen Vorfall zu berichten, der sich in einem queerfreundlichen Club in Warschau zugetragen habe, so Kowalówka über Twitter: „Vor Jahren, im Jahr 2011, belästigte mich Janek – mir damals unbekannt – im Kitsch-Club wiederholt und abrupt mit seinem Angebot für Oralsex.“ 

Ein linker Aktivist berichtet, Kanthak hätte ihm „wiederholt und abrupt“ Oralsex angeboten

Das Zwangsouting schlug in der polnischen Presse hohe Wellen. Die angesehene Tageszeitung Gazeta Wyborcza sprach vom “Fall eines Scheinheiligen”. Kanthaks Stellungnahme gegenüber der Zeitung klang nicht wirklich wie ein Dementi. Der 29-Jährige lamentierte, es sei “peinlich zu lesen, dass sich eine so ernsthafte Zeitung mit solch vulgärem Unsinn befasst”. Er kündigte an, Kowalówka wegen Verleumdung anzeigen zu wollen. 

In einem weiteren Interview sagte der Jungpolitiker: “Das Thema Sexualität sollte nicht Gegenstand öffentlicher Debatten sein, aber es sind die LGBT-Kreise, die versuchen, das öffentliche Leben zu sexualisieren und alles auf Sex zu reduzieren. Dem wollen rechte Kreise und die Kirche nicht zustimmen.” Was auch daran liegen könnte, dass sonst solche Unterschiede zwischen Position und Stellung wohl nicht ans Tageslicht kommen würden. 

Vom LGBT-hassenden Innenminister protegiert: Der „Fall eines Scheinheiligen“

Für konservative Kreise ist das Zwangsouting eine kleine Katastrophe: Kanthak ist einer der Shooting-Stars der PiS-Abspaltung “Solidarisches Polen” und wird besonders von dessen Chef, dem demonstrativ homophoben Justizminister Zbigniew Ziobro, protegiert. 

So arbeitete er mit 26 Jahren bereits als Sekretär der Strategiegruppe des Justizministeriums, ein Jahr später wurde er Sprecher des Ministeriums, kurz darauf Stadtrat in Danzig. Seit 2019 ist er für die Stadt Lublin im polnischen Parlament. 

Er war dieses Jahr auch Mitglied im Wahlkampfteam von Präsident Andrzej Duda, der die Wahlen letztendlich knapp gewonnen hatte. Kanthak gehört auch zu jenen Abgeordneten, die einen Gesetzesentwurf zur Gängelung der unabhängigen Richter eingebracht hat. 

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