Donnerstag, 28. März 2024
HomeNewsChronikNSU-Aussteiger Carsten S. aus der Haft entlassen

NSU-Aussteiger Carsten S. aus der Haft entlassen

Vor seiner Verhaftung lebte der heute 40-Jährige offen schwul in Nordrhein-Westfalen

Meistgelesen

Neu auf GGG.at

Carsten S., der einzige reuige Angeklagte im NSU-Prozess, hat seine Haftstrafe verbüßt. Das bestätigte ein Sprecher des Oberlandesgerichts München der taz. Der heute 40-Jährige hatte sich von der rechten Szene in Thüringen distanziert und war nach Nordrhein-Westfalen gezogen, um dort offen schwul zu leben. 

Carsten S. hatte die Mordwaffe des NSU überbracht

Im NSU-Prozess war er wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Carsten S. habe die wichtigste Mordwaffe des NSU, eine Ceska-Pistole, zu Mundlos und Böhnhardt nach Chemnitz gebracht, so die Bundesanwaltschaft im Prozess. Damit hatten die beiden Terroristen neun Gewerbetreibende mit türkischen und griechischen Wurzeln erschossen. 

Vor Gericht gestand Carsten S. die Waffenübergabe. Er beteuerte aber, nichts von den geplanten Morden und Anschlägen gewusst zu haben. Im Gegensatz zu den anderen Angeklagten packte er aus und belastete den früheren NPD-Funktionär Ralf Wohlleben schwer. 

- Werbung -

Als einziger Angeklagter gestand und bereute er die Tat

Die Opfer des NSU-Terrors bat er um Entschuldigung. Mehrere Angehörige von NSU-Opfern erkannten die Reue von Carsten S. an, sie haben ihm nach eigenem Bekunden verziehen. Es kam sogar zu einem Treffen zwischen Hinterbliebenen und Carsten S. 

Sein Verteidiger forderte einen Freispruch, da sein Mandant nicht vorsätzlich gehandelt habe. Das Gericht folgte allerdings der Forderung der Bundesanwaltschaft: Sie verlangte eine Jugendstrafe von drei Jahren, da Carsten S. zur Tatzeit noch nicht 21 Jahre alt gewesen sei. 

Nun lebt Carsten S. unter neuer Identität an einem geheimen Ort

Die Hälfte dieser Jugendstrafe habe der heute 40-Jährige abgesessen, der Rest sei zur Bewährung ausgesetzt, so ein Sprecher des Oberlandesgerichts München. 

Wo Carsten S. in Haft saß, bleibt geheim – durch seine Aussagen im Prozess gilt er als besonders gefährdet, seitdem befindet er sich im Zeugenschutzprogramm. Nicht einmal sein Anwalt weiß nach Recherchen der taz, wo sein Mandant unter neuem Namen lebt. 

Vor seiner Verhaftung half er LGBTI-Jugendlichen in Düsseldorf

Carsten S. gehörte in den Neunzigerjahren zur rechtsextremen Szene in Jena, ebenso wie die späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Im Jahr 2003 stieg Carsten S. aus der rechtsextremen Szene aus und zog nach Nordrhein-Westfalen, um dort offen schwul zu leben. 

Vor seiner Verhaftung im Februar 2012 arbeitete er bei der AIDS-Hilfe in Düsseldorf und hatte noch einen Nebenjob in einem schwul-lesbischen Jugendclub. Doch dann holte ihn seine rechte Vergangenheit ein. Jetzt hat er eine neue Chance bekommen – dem Gericht zufolge hat Carsten S. eine günstige Sozialprognose. 

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner