Mittwoch, 24. April 2024
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St. Pölten: „Homo-Gutachten“, um Eignung von Priester zur Seelsorge festzustellen

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Es war einer der größten Skandale der römisch-katholischen Kirche in Österreich: Im Jahr 2003 wurden auf einem Computer des Priesterseminars von St. Pölten Fotos entdeckt, die sexualisierte Gewalt an Kindern zeigen – ein Seminarist wurde deshalb verurteilt. Für den stellvertretenden Leiter des Priesterseminars, Wolfgang Rothe, war das der Anfang vom Ende einer vielversprechenden Karriere. 

Ein Foto beendete die Karriere von Wolfgang Rothe

Denn weitere Bilder, die auf anderen Rechnern des Priesterseminars gefunden wurden, waren zwar strafrechtlich nicht relevant, dafür aber kirchenintern ein hitzig diskutiertes Thema – auf einem der Fotos sieht es aus, als ob Rothe einem Seminaristen einen Zungenkuss gibt. Er beteuert bis heute, dass das Foto nur eine Umarmung bei einer Weihnachtsfeier zeige, aber aus einer Perspektive aufgenommen sei, sodass es nach mehr aussehe. Er lässt die weitere Verwendung des Fotos gerichtlich stoppen. 

Der als Apostolische Visitator nach St. Pölten geschickte Bischof Klaus Küng entlässt Rothe und verordnet ihm eine Auszeit – für den ultrakonservativen Geistlichen mit guten Kontakten in den Vatikan ist der Vorfall das Ende einer vielversprechenden Karriere. Doch damit ist die Sache für den Geistlichen noch nicht ausgestanden.

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Ein „Schwulentest“ sollte die Eignung Rothes zum Seelsorger feststellen

Im Jahr 2005 bekommt Rothe einen Brief von Küng. Darin heißt es kryptisch, es gehe „um konkrete Fragen im Zusammenhang mit den Vorwürfen, die nicht zur Gänze entkräftet werden konnten“. Er solle einen „Schwulentest“ machen, bezeichnet Rothe die Aufforderung später. Nachdem der Vatikan vor wenigen Monaten Vorwürfe gegen Küng, er habe Rothe unsittlich berührt, endgültig zu den Akten gelegt hat, bricht der Priester sein Schweigen.

Wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet, schlägt Küng Rothe damals zwei forensische Psychiater in Deutschland vor, die beurteilen sollen, ob der ehemalige Subregens des St. Pöltner Priesterseminars schwul ist. „Ich verstehe sehr gut, dass das alles nicht angenehm ist, aber es gibt keinen anderen Weg als den einer möglichst objektiven Klärung“, schreibt der Bischof im April 2005 – und betont dabei, dass es dessen „eigene freie Entscheidung ist, ein Gutachten erstellen zu lassen“.

Das Gutachten konnte „keine fundierten Aussagen“ machen

Heute sagt Rothe gegenüber der SZ, er habe sich „stark gedrängt“ gefühlt – und sich schlussendlich dem Wunsch des Bischofs gefügt, um seine Karriere nicht noch weiter zu beschädigen. Daraufhin wurde Rothe im Mai zwei Tage lang vom anerkannten forensischen Psychiater Norbert Leygraf und einem Psychologen befragt und getestet. Das Gutachten sollte dabei nicht nur die Frage beantworten, ob Rothe schwul sei – sondern auch, ob das „eine Einschränkung seiner Einsatzmöglichkeiten als angeraten, angebracht oder unbedingt empfohlen erscheinen lässt“. 

Das „wissenschaftlich begründete psychiatrisch-psychologische Gutachten“ wurde anschließend direkt an „seine Exzellenz Herrn Bischof DDr. Klaus Küng“ geschickt – und fiel mager aus: Es könnten „keine fundierten Aussagen“ darüber getroffen werden, ob bei Rothe „eine homosexuelle Orientierung vorliegt oder nicht“.

Experten finden das Gutachten empörend

Dass ein Gutachten die mutmaßliche Homosexualität eines Menschen feststellen soll, sorgt unter Experten für Empörung. Der deutsche Forensiker Harald Dreßing, der im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz eine großangelegte Missbrauchsstudie veröffentlicht hat, kritisierte Küngs Vorgehen als „ungeheuerlich“.

Die Fragestellung, wonach der Priester von jeglicher seelsorgerischer Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen fernzuhalten sei, wenn er wirklich schwul ist, ist für Dreßing „eindeutig diskriminierend“. „Homosexualität ist weder eine psychische Störung noch eine Krankheit“, so Dreßing gegenüber der SZ: „Diese abwegige Fragestellung dürfte der in diesem Aspekt nicht akzeptablen katholischen Sexualmoral gegenüber der Homosexualität geschuldet sein, die humanwissenschaftlichen Erkenntnissen völlig widerspricht.“

Nur der Betroffene könnte von Konsequenzen betroffen sein

Leygraf selbst äußert sich zur Kritik an diesem Gutachten nicht, Fragen der Tageszeitung an das Ordinariat in St. Pölten bleiben unbeantwortet. Auch der heute emeritierte Bischof Küng hat in der Vergangenheit alle Vorwürfe zurückgewiesen.

Konsequenzen könnte das nun wieder aufgeflammte Interesse nur für Rothe haben. Der jetzige St. Pöltner Bischof Alois Schwarz hat Rothe im April 2020 kirchenrechtlich verwarnt und den Priester ermahnt, seine Vorwürfe „ab sofort nicht weiterhin in der Öffentlichkeit aufrecht zu erhalten oder zu verbreiten“.

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