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Homophober Angriff: Staatsanwaltschaft wollte Verfahren einstellen

Nun musste sich der mutmaßliche Angreifer vor Gericht verantworten

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Am 16. Juni 2019 sind drei Teilnehmer der Regenbogenparade wegen ihres Outfits in einem Schnellrestaurant beschimpft und bedroht worden. Am Montag stand der mutmaßliche Täter vor Gericht und gab den Angriff zu – obwohl die Staatsanwaltschaft eigentlich nicht gegen den Mann ermitteln wollte.

Nach der Parade wurde das Trio in einem Schnellrestaurant bedroht

Es war in den Morgenstunden nach der Parade, gegen 5.15 Uhr, in der McDonald’s-Filiale am Wiener Praterstern. Drei junge Männer, Anfang 20, wollten sich nach der After-Party noch stärken. Ihr Outfit war „paradetypisch“, wie das Rechtskomitee Lambda (RKL) danach bemerken sollte: Sie trugen Glitzer- und Regenbogen-Make-up, einer von ihnen stand mit nacktem Oberkörper im Lokal.

Einen 35-jährigen Gast dürfte dieses Outfit offenbar so gestört haben, dass er die drei jungen Männer attackiert hat. Er soll sie als Schwuchteln, Schwule oder Hurensöhne beschimpft haben. Außerdem soll er vor ihnen auf den Boden gespuckt und ihnen mit erhobener Faust gedroht haben, sie niederzuschlagen und in die Hoden zu treten.

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Das Interesse der Polizei an dem Vorfall soll sich in Grenzen gehalten haben

Die drei Männer, darunter ein US-Staatsbürger, der kurz danach wieder abgereist war, reagierten geschockt. Ein McDonald’s Mitarbeiter rief daraufhin die Polizei. Diese soll danach allerdings nur einen der beiden Österreicher, Philipp L., einvernommen haben – obwohl er bei seiner Einvernahme vom anderen österreichischen Opfer, Albert P., begleitet wurde und dieser dem RKL zufolge „ausdrücklich um seine Einvernahme ersucht hat“.

Wenig später stellte die Staatsanwaltschaft Wien das Verfahren gegen den 35-Jährigen wegen gefährlicher Drohung ein: Der Täter sei alkoholisiert und verärgert gewesen. Eine Absicht, die Opfer „in Furcht und Unruhe“ zu versetzen, sei der Staatsanwaltschaft zufolge nicht nachzuweisen. Das Video des Vorfalls, das die Polizei gesichert hatte, wurde von der Staatsanwaltschaft nie angefordert oder gesichtet.

Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein, ohne das zweite Opfer zu informieren

Albert P. wurde von der Einstellung des Verfahrens nicht informiert. Er erfuhr erst kurz vor dem Ablauf der absoluten Frist für einen Fortführungsantrag, dass gegen den 35-Jährigen nicht mehr weiter ermittelt wird. Obwohl er sich schnell rechtlich beraten ließ, konnte er diese Frist nicht mehr einhalten – sein Antrag auf Fortführung des Verfahrens wurde von der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.

Allerdings haben die beiden jungen Männer der Staatsanwaltschaft auch eine Ermächtigung erteilt, gegen den Mann wegen Beleidigung aufgrund der sexuellen Orientierung zu ermitteln. Dieser Tatbestand ist dann erfüllt, wenn Beschimpfungen, Verspottungen oder die Drohung mit Misshandlung vor mindestens drei unbeteiligten Personen erfolgen. Auch dieses Verfahren hat die Staatsanwaltschaft eingestellt – auch, weil das von der Polizei sichergestellte Video des Vorfalls nicht mehr auffindbar war.

Das Landesgericht gab schließlich den Auftrag zu weiteren Ermittlungen

Daraufhin wandten sich Philipp L. und Albert P. mit einer Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und mit einem Fortführungsantrag an das Landesgericht für Strafsachen Wien. Das Gericht gab dem Antrag der Betroffenen am 23. Oktober 2020 statt und forderte die Anklagebehörde auf, das Verfahren fortzusetzen.

Am Montag stand der 35-Jährige nun vor Richterin Ingrid Weigl am Bezirksgericht Wien-Leopoldstadt. Sie machte ihm deutlich, dass solche Übergriffe kein Kavaliersdelikt seien – und erklärte ihm, dass diese Tat heute nicht mehr als Beleidigung mit einer Höchststrafe von drei Monaten vor dem Bezirksgericht verhandelt werden würden, sondern als Verhetzung mit einer Höchststrafe von bis zu zwei Jahren vor dem Landesgericht – weil zu dem Zeitpunkt mehr als 30 unbeteiligte Personen anwesend waren.

Der Angeklagte entschuldigte sich bei den Opfern

Da der Angeklagte nicht einschlägig vorbestraft war und sich bei den Opfern entschuldigt hatte, hat ihm die Richterin eine Diversion angeboten: Das Verfahren wird nach einer einjährigen Probezeit eingestellt, wenn er den beiden Opfern je 500 Euro Schadenersatz leistet. Sowohl der Angeklagte als auch die beiden jungen Männer waren einverstanden, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Das Urteil ist deshalb noch nicht rechtskräftig.

„Das Wichtigste und Heilendste für mich ist, dass der Staat schlußendlich gehandelt und klargemacht hat, dass solche Hassdelikte nicht toleriert werden und nicht folgenlos bleiben. Auf diesen Tag werde ich noch lange zurückschauen“, so Albert P., der schon öfter schwulenfeindliche Übergriffe erleiden musste, gegenüber dem Rechtskomitee Lambda, das ihn bei seinem Kampf gegen die Behörden unterstützt hat.

„Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verlangt, dass homophobe Delikte mit besonderer Sorgfalt und besonderem Nachdruck umfassend und erschöpfend untersucht und die Täter wirksam sanktioniert werden. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Fall Anlass ist für die Staatsanwaltschaften, diesem Menschenrecht in Zukunft konsequent zu entsprechen“, betont Helmut Graupner, Anwalt der Opfer und Präsident des RKL.

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