Mein Körper ist schön. Meine Makel sind es auch.

Body Positivity und Body Neutrality sind Begriffe mit denen viele bereits in Berührung gekommen sind: Wo haben sie ihren Ursprung und wie relevant sind sie für uns alle?

Sujetbild: Body Positivity
Sujetbild - Adobe Stock

Die Ursprünge der Body Positivity

Das Body Positivity Movement, wie wir es heute kennen, ist eine Social Media Bewegung. Vertreter*innen schreiben sich meist der Alltagsdefinition zu, positiv zum eigenen Körper zu stehen. Ihren Ursprung hat die Bewegung jedoch schon lange vor der Digitalisierung; genauer gesagt in der ersten Welle der Frauenbewegung Mitte des 19. Jahrhunderts. Konkretisiert wurden die feministischen Forderungen im Fat Acceptance Movement mit der großen Demonstration gegen systematische Diskriminierung 1967 im Central Park, NYC. Die intensive globale Vernetzung rund um Body Positivity entstand erst durch Social Media, allen voran Instagram. Schwarze Frauen nahmen hierbei eine klare Vorreiterrolle ein. 

Ungehörte Stimmen der Bewegung

Immer wieder entsteht der Eindruck, es seien nur Frauen, die unter den gängigen Schönheitsidealen leiden. Faktisch sind aber auch Männer, viele von ihnen homosexuell, unter den Betroffenen. Die männliche Seite ist jedoch ein viel jüngerer und weniger öffentlicher Teil der Debatte. Zusätzlich sind hauptsächlich kurvige Personen medienwirksame Verfechter*innen der Bewegung, wie beispielsweise die international bekannten Frauen Danielle Brooks und Ashley Graham. 

Werbung
Lisa
Livia Berger

„Meinen Körper zu hassen hat mir auch nichts gebracht, deswegen kann ich auch gleich anfangen ihn zu lieben“, ist Lisa Ruffs Antwort auf die Frage nach der Entstehung ihrer körperpositiven Haltung. Die 20-Jährige hat einen eher untypischen Zugang zur Body Positivity Bewegung und tritt auf Social Media vor allem für „Selfcare“ und „Recovery“ ein. Aufgrund einer langjährigen Essstörung kämpft sie mit einer verzerrten Selbstwahrnehmung. Um daran zu arbeiten, hat Lisa sich für den Body Positivity Weg entschieden, bei dem ihr persönlich definiertes Ziel ist, „dass man mit seinem eigenen Körper im Reinen ist, die eigenen Fehler als schön sieht und man sich auch nackt nicht unwohl fühlt“. 

Meinen Körper zu hassen hat mir auch nichts gebracht, deswegen kann ich auch gleich anfangen ihn zu lieben.“

Body Neutrality definiert sich im Gegensatz zur Body Positivity explizit nicht über die Würdigung besonderer Körpermerkmale, sondern plädiert für einen Blick über den Tellerrand, oder eben das eigene Speckröllchen. Neutral zum Äußeren zu stehen soll auch dazu führen, sich auf die inneren Werte fokussieren zu können. In Lisas Augen ist Body Neutrality der Übergang vom Zweifeln zum Lieben im Hinblick auf den eigenen Körper: Um sich auf diese persönliche Entwicklungsreise zu begeben, „muss man seinen Körper nicht lieben, sondern erstmal akzeptieren lernen.” 

Körperideale werden uns eingeflößt

Der Begriff Body Positivity ist ein Modebegriff in den bildungsnahen, jungen Milieus und wird gerade hier rege diskutiert. Das Thema Schönheitsideale ist allerdings eines, das in weiblichen Lebenswelten quer durch die sozialen Milieus hohe Bedeutung hat“, meint Beate Großegger, Expertin für angewandte Sozialforschung zu Jugend und Generationen. Wobei gilt: Lehrlinge haben andere Körperideale als Studierende, Mager-Model-Ästhetik ist im Lehrlingsmilieu weitaus weniger Thema als in den bildungsnahen Schichten. 

Ihren Ursprung hat die Problematik der Körperideale in der Vorbildwirkung von Erwachsenen. „Man verkauft sich in der heutigen Erfolgsgesellschaft sehr stark über ein attraktives Aussehen. Dieses Prinzip lebt die Erwachsenengesellschaft den Jugendlichen vor, indem Schönheitsideale schon im Alter von 5-7 Jahren vermittelt werden“, erklärt die Jugendkulturforscherin. „Es gibt also Zonen in der Jugendkultur, die vom Spiel mit der optimierten Performance regiert werden. Das können wir auf Social Media beobachten: Will man auf Instagram performen, so muss man perfekt performen.“ 

Dass wir unser authentisches Ich in unserer Gesellschaft nicht leben dürfen, erachtet Beate Großegger als ein großes Problem, da dies „nicht nur das Aussehen, sondern auch alle anderen Bausteine des Selbst“ betreffe. Ein positiver Blick auf sich selbst, trotz oder gerade wegen der eigenen Makel, müsse von der Erwachsenengesellschaft der Jugend ermöglicht werden. 

Körperliebe für alle

Muss man wirklich jeden Tag mit dem eigenen Spiegelbild glücklich sein, um sich als körperpositiv bezeichnen zu können? Nein. Fakt ist, man darf etwas an sich ändern wollen und sich dennoch samt Vorzügen und Makeln lieben. Vor allem junge Menschen sollten genauso wenig Druck zur Selbstliebe verspüren, wie einem gewissen Schönheitsideal entsprechen zu müssen. Sowohl Body Positivity als auch Neutrality gelten für uns alle, unabhängig von sozialem Milieu, Geschlecht oder Alter. Denn unsere Körper sollten nicht gewertet, sondern viel eher mit Respekt und Dankbarkeit geehrt werden. 

Querformat
Querformat

Dieses Interview erschien zuerst in das Querformat – Magazin für eine offene und tolerante Gesellschaft und ist nun im Rahmen einer Kooperation auch auf GGG.at zu lesen.