Freitag, 29. März 2024
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Aus Schwulenhass: Hat Taxifahrer 59-Jährigen mit Schlagring verprügelt?

Das Opfer hat Anzeige erstattet - gibt es noch weitere ähnliche Fälle in Wien?

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Für Richard (Name geändert) war der 3. Juli ein besonderer Abend: Das erste Mal nach dem Lockdown, das erste Mal nach einem schweren Schicksalsschlag – das erste Mal alleine seit zehn Jahren war der 59-Jährige wieder unterwegs. Der Abend war lustig, er hatte Spaß, und war angeheitert. In den Morgenstunden des 4. Juli ruft ihm der Wirt seines Stammlokals ein Taxi, damit er sicher nach Hause kommt. Und damit beginnt für Richard ein Alptraum.

Dass sein Fahrgast aus einer Schwulenbar kommt, stört den Lenker offenbar

Doch das weiß er noch nicht, als er vor dem Szenelokal ins Taxi steigt. Der Fahrer fragt ihn, woher er kommt. Er erwidert den Namen des Lokals, und der Taxifahrer soll mit einem knappen „Da gehen nur Männer?“ geantwortet haben. Richard bejaht. Das könnte ein schwerer Fehler gewesen sein, wie sich später herausstellen sollte.

Die weitere Fahrt verläuft still. Richard erinnert sich, dass der Taxifahrer für die Strecke das Doppelte des gewöhnlichen Tarifs haben wollte. Er beschwert sich, zahlt, steigt aus. Und offenbar steigt auch der Taxifahrer, für den die Unschuldsvermutung gilt, aus. 

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„An den ersten Schlag erinnere ich mich“

Nach einem überraschenden Fußtritt von hinten soll Richard auf den Asphalt gefallen sein. „An den ersten Schlag erinnere ich mich“, sagt Richard. Sein Hausarzt stellt später eine Platzwunde am Hinterkopf fest, und einen sechs Zentimeter großer Bluterguss an der Seite.

Im Gespräch mit GGG.at erinnert sich Richard, dass er das Blut auf seinem Hinterkopf gespürt habe. „Es ist geronnen“, sagt er. Er ist überzeugt, dass der Taxifahrer mit einem Schlagring zugeschlagen hat. Als Tatmotiv vermutet er Schwulenhass.

Dann will der Fahrer noch sein Handy und seine Bankomatkarte

TaxiOpfer privat

Als der Taxifahrer wegfährt, macht Richard ein paar Bilder mit seinem Handy. Als das der Fahrer bemerkt, soll er zurückgefahren sein und Richard weitere Prügel angedroht haben, wenn er ihm nicht sein Handy und seine Bankomatkarte gebe, erinnert sich das Opfer. Richard erzählt, dem Fahrer schließlich sein iPhone und die Karte gegeben zu haben.

Benommen geht Richard zunächst in seine Wohnung. Dann will er in seinem Schock zu einer Polizeistation gehen, die aber inzwischen aufgelassen wurde. Verwirrt legt er sich schlafen.

Aus Scham will Richard zunächst nicht zur Polizei

Am nächsten Morgen beginnen die Gedanken, sich zu ordnen. Verwandte, denen er von dem Vorfall erzählt, drängen ihn, Anzeige zu erstatten. Er selbst will das zunächst nicht, hat Scham und Unbehagen, das Erlebte mit Fremden zu teilen. Schließlich fällt ihm ein, dass die Fotos seines Handys auf dem iPad synchronisiert werden – und dort auch die Position seines iPhones zu finden ist.

Er recherchiert, wo die nächste Polizeistation ist, geht hin und erstattet Anzeige gegen Unbekannt. Die Beamt:innen beschreibt er als professionell und einfühlend, sie können anhand der Fotos den Fahrer ausfindig machen. Er soll in der Nähe jener Adresse wohnen, an der das Handy geortet wurde. 

Der Taxifahrer ist für die Behörden offenbar kein Unbekannter

Der Taxifahrer wird auf die Wache bestellt – und leugnet alle Vorwürfe, die Richard in seiner Anzeige gemacht hat, und kündigt selbst eine Anzeige an. Mit ihm gehen die Polizist:innen nicht so einfühlend um wie mit Richard. Es soll nicht das erste Mal sein, dass der Mann Bekanntschaft mit der österreichischen Exekutive gemacht hat.

Nach Recherchen des Standard bestätigt die Polizei eine Anzeige, allerdings habe sich die Auseinandersetzung zunächst um den Fahrtpreis gedreht. Auch die Angaben, wer zuerst gewalttätig wurde, würden auseinandergehen.

Bis ein Gericht über Schuld oder Unschuld und den genauen Sachverhalt entscheidet, wird noch einige Zeit vergehen. Zeit, in der sich einige Fragen stellen – zum Beispiel, warum ausgerechnet ein Taxi, das Richard sicher nach Hause bringen sollte, zur Gefahr werden konnte.

Die Funktaxi-Ketten distanzieren sich von dem Vorfall

Nachfragen von GGG.at bei den großen Funktaxi-Ketten haben ergeben, dass dort keine entsprechende Fahrt registriert wurde. Das Taxi hat auf Richards Foto auch keinen entsprechenden Aufkleber. 

Eveline Hruza von den Taxiketten 40 100 und 60 1 60 betont aber: „Vorfälle wie dieser sind nicht zu entschuldigen. Sofern es sich um einen Lenker unserer Flotte handelt, behalten wir uns das Recht vor, den Lenker von der Funkvermittlung auszuschließen.“ Beim Lenker einer anderen Flotte könne sie einen Kontakt zur Taxiinnung herstellen, bietet Hruza an.

Gerald Grobfeld, Funkleiter von 31 300, verweist in diesem Zusammenhang auf die eigene App, „die auch für Fahrgäste mit erhöhtem Sicherheitsbedürfnis designt wurde“. Die betreffenden Lenker würden eine entsprechende Schulung durchlaufen – die ein „laufender Prozess“ sei. 

Gibt es noch weitere ähnliche Fälle?

Für die Wiener Antidiskriminierungsstelle (WASt) ist der Vorfall Grund genug, um die Initiative zu ergreifen: Man hat auf Facebook einen Aufruf gestartet, um mögliche weitere Opfer ausfindig zu machen und zu einer Anzeige zu bewegen. Auch sei man mit den Funkzentralen in Kontakt, so Wolfgang Wilhelm, Leiter der WASt, gegenüber GGG.at.

Für Richard hat das Erlebnis bis heute Nachwirkungen: Er fühlt sich zu Hause nicht mehr sicher, hat sich schon über Alarmsysteme schlau gemacht. Ob er nach einer feuchtfröhlichen Nacht wieder in ein Taxi steigen wird, weiß er nicht. „Das Vertrauen ist weg“, sagt er.

Hast du ähnliche Erlebnisse gehabt? Möchtest Du Deine Geschichte erzählen? Dann schreib uns unter hatecrime@ggg.at – alle Zusendungen werden vertraulich behandelt!

Update 10.8., 17.00: Stellungnahme der Polizei in den Artikel eingearbeitet

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