Dienstag, 16. April 2024
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Fußball-WM: Liberale Muslime warnen vor „Weißwaschung Katars“

"Alibihandlungen" verbessern auch die Situation der LGBTI-Community nicht

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Der Countdown zur Fußball-WM in Katar läuft: Von 21. November bis 18. Dezember dieses Jahres soll der Wettbewerb stattfinden – unter klimatisch fraglichen Bedingungen für die Sportler, die in Stadien spielen werden, bei deren Bau die Menschenrechte der Arbeiter mit Füßen getreten wurden. Nun ruft die Initiative Liberale Muslime Österreich (ILMÖ) die Öffentlichkeit auf, nicht auf die „Weißwaschungsversuche Katars“ hineinzufallen.

PR-Aktionen für Katar statt echter Reformen und Öffnung der Gesellschaft

Konkreter Anlass: Katar hat im Vorfeld der Weltmeisterschaft angekündigt, Schulbücher von rassistischen und den Dschihad verherrlichenden Passagen zu säubern. Doch ILMÖ-Präsident Amer Albayati macht klar: „Jeder aus Schulbüchern herausgestrichene Antisemitismus ist natürlich zu begrüßen. Aber es muss jedem klar sein, dass das eine reine Alibihandlung ist, um im Vorfeld der Fußball-WM ein wenig Druck gegen die weltweite Kritik am katarischen Regime herauszunehmen.“

Denn die Realität in dem Golfstaat sei eine andere. So unterstütze Katar weiterhin radikale Islamisten wie die Muslimbrüder oder die Taliban. Bei der Errichtung der Stadien sollen bis zu 15.000 Gastarbeiter ums Leben gekommen sein. Diese sind aufgrund des „Kafala“-Systems rechtlos – weil ihr Rechtsstatus an ihre Arbeitgeber gebunden ist, was Missbrauch, Zwangsarbeit und Menschenhandel begünstigt.

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Die Lage für die LGBTI-Community in Katar bleibt gefährlich

Und auch Homosexualität sei in Katar weiterhin verboten, betont Albayati. Die Strafen sehen Auspeitschen, Haft und sogar die Todesstrafe vor. Auch, wer sich bei Initiativen und Aktionen der LGBTQI+-Bewegung engagiert, mache sich strafbar. Das geht sogar soweit, dass Ende letzten Jahres Kinderspielzeug in Regenbogenfarben verboten wurde.

Mit seiner Kritik ist die Initiative Liberaler Muslime Österreich nicht alleine: In Deutschland forderte Alfonso Pantisano, Vorstandsmitglied des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) sogar einen Boykott der Fußball-WM. Eine Forderung, die vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) prompt zurückgewiesen wurde.

Auch der offen schwule australische Fußballer Josh Cavallo im Dezember gesagt, dass er sich fürchte, an der Fußball-WM in Katar teilzunehmen. Im Guardian-Podcast sagte er auf die Frage, ob er nach Katar gehen würde, wenn er nominiert werden würde: „Ich habe so etwas gelesen, dass es die Todesstrafe für homosexuelle Menschen in Katar gibt. Das ist also etwas, was mir große Angst macht und ich würde nicht wirklich nach Katar gehen wollen.“

Olaf Scholz: Unterstützung für die LGBTI-Community in Katar

Mittlerweile hat sich auch die Politik eingeschaltet – zumindest in Deutschland. In einem Video für die Initiative „Liebe kennt keine Pause“ hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz seine Unterstützung für die LGBTI-Community in Katar bekundet. „Es muss egal sein, wen man liebt, ob man als Mann oder als Frau geboren ist und wie man leben möchte. Nicht nur hier in Deutschland, sondern überall auf der Welt – und auch in Katar, wo 2022 die nächste Fußball-Weltmeisterschaft stattfindet“, so Scholz.

„Lasst uns dafür sorgen, dass diese Botschaft Gehör findet und verbreitet wird, dass die LGBT-Community in Katar und auf der ganzen Welt hört, dass wir sie unterstützen“, betonte der SPD-Politiker Scholz, der diese Botschaft bereits letztes Jahr aufgenommen hatte, bevor er Bundeskanzler wurde. Weitere deutsche Spitzenpolitiker:innen, die die Aktion unterstützen, sind Familienministerin Anne Spiegel von den Grünen sowie die CDU-Politiker Jens Spahn und Matthias Zimmer.

Katar versucht, die Kritik herunterzuspielen

Katar bemüht sich, diese Anschuldigungen herunterzuspielen: In einem Interview mit dem Nachrichtensender CNN bemühte sich Nasser Al-Khater, Geschäftsführer des Organisationskomitees der Fußball-WM 2022, im Dezember die Offenheit seines Landes zu betonen. So erklärte er unter anderem, dass es während der Weltmeisterschaft erlaubt wäre, Regenbogenflaggen ins Land mitzunehmen – ob diese auch außerhalb des Großereignisses willkommen sind, verriet der Chef-Organisator der WM allerdings nicht.

Ende November erklärte der Mohammed Jaham Alkuwari, Katarischer Botschafter in der Schweiz, gegenüber der Boulevardzeitung Blick, dass auch Homosexuelle die Spiele schauen und ins Restaurant gehen können. Dabei müsse man „sich an die Regeln halten“, erklärte er: „Auch in demokratischen Ländern in Europa ist nicht alles akzeptiert. Wenn Sie als Homosexueller nach Ungarn gehen und sich auf der Straße küssen, was würde dann passieren?“

Nun wäre eigentlich der Weltfußballverband FIFA gefordert – denn: „Nach Artikel vier der FIFA-Statuten wird jegliche Diskriminierung u.a. aufgrund von Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung abgelehnt“, so ILMÖ-Präsident Albayati. Doch die Realität sei eine andere: „Seit der Vergabe an Katar glänzt die FIFA nur durch Schweigen und Heuchelei.“ Deshalb appelliert der Islam-Experte, „Katar all diese Unredlichkeiten nicht durchgehen zu lassen“.

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