Dienstag, 23. April 2024
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Ungarn: LGTBI-feindliches Referendum gefloppt, doch Orbán gewinnt Wahl

Keine Mehrheit für hasserfüllte Fragen zum "Kinderschutz"

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Mit gemischten Gefühlen nimmt wohl die LGBTI-Community in Ungarn den gestrigen Urnengang in unserem Nachbarland zur Kenntnis: Zwar dürfte ein umstrittenes LGBTI-feindliches Referendum zum „Kinderschutz“ gescheitert sein, Orbáns rechtsnationale Partei Fidesz dürfte sich aber die absolute Stimmenmehrheit und eine Zweidrittelmehrheit im Parlament gesichert haben.

Mit Suggestivfragen sollten Kinder vor sexueller Vielfalt „geschützt“ werden

In dem Referendum wurden vier Fragen gestellt, welche auf die Bürgerrechte sexueller Minderheiten abzielten. So wollte die Regierung wissen, ob Kinder an öffentlichen Schulen ohne Zustimmung der Eltern an Unterricht zur sexuellen Orientierung teilnehmen dürfen. Die zweite Frage lautete: „Sind Sie dafür, dass Kindern Informationen über geschlechtsangleichende Behandlungen gegeben werden?“

Stark tendenziös auch die dritte Frage, bei der es darum ging, ob „Medieninhalte sexueller Natur, die sich auf die Entwicklung von Kindern auswirken, ihnen ohne Einschränkungen präsentiert werden dürfen“. In der vierten Frage ging es darum, ob Kindern Medieninhalte „zur Geschlechtsumwandlung“ gezeigt werden dürften.

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Offiziell begründete die Regierung das Referendum bei ihren Landsleuten damit, dass „Brüssel Ungarn in den letzten Wochen wegen des Kinderschutzgesetzes eindeutig angegriffen hat“. Inoffiziell war klar, dass Orbán damit müde gewordene Wähler, vor allem am Land, an die Urnen locken wollte.

Zu wenige gültige Stimmen: Referendum ist gescheitert

Dieses Referendum dürfte nun gescheitet sein. Denn um gültig zu sein, müssen mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten eine gültige Stimme abgeben, und jene Entscheidung, die mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen hat, wäre verbindlich. Im Fall des Referendums, das am Sonntag zur Wahl stand, hätten 4.107.652 gültige Stimmen abgegeben werden müssen.

Dieses Ziel hat das Referendum klar verfehlt: Auf die erste Frage, ob Kinder ohne Zustimmung der Eltern über sexuelle Vielfalt unterrichtet werden dürfen, gab es nur 3.521.425 gültige Stimmen. Damit ist es auch egal, dass 92 Prozent der abgegebenen gültigen Stimme gegen eine verpflichtende Teilnahme an einem diversen Sexualkundeunterricht waren.

Auch bei der Frage, ob Kinder Informationen über geschlechtsangleichende Behandlungen erhalten sollten, überzeugte die Ungar:innen nicht. Hier gab es sogar nur 3.492.688 gültige Stimmen – und davon mit 95,89 Prozent „Nein“ eine satte Mehrheit für die Position der Regierung. Ähnlich sah das Ergebnis bei den anderen Fragen aus.

Ein kleiner Sieg für Opposition und Bürgerrechtler

Damit haben sich die Opposition, darunter Budapests Mitte-Links-Bürgermeister Gergely Karacsony, und unzählige Nichtregierungsorganisationen durchgesetzt. Sie forderten die Ungar:innen auf, bei den Fragen ungültig zu stimmen.

So erklärte etwa die Gesellschaft für bürgerliche Freiheiten (TASZ), eine Bürgerrechtsorganisation, dass die Fragen Propagandazwecken dienen. Sie erklärte, dass die Fragen des Referendums hasserfüllt seien und sexuelle und geschlechtliche Minderheiten ausgrenzen.

Die Parlamentswahl gewinnt Orbán allerdings deutlich

Was die Freude der Bürgerrechtsaktrivist:innen über das gescheiterte Referendum allerdings in Grenzen hält, ist der überwältigende Wahlerfolg von Viktor Orbáns Fidesz. Die rechtsnationale Partei kam nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen auf 53,1 Prozent. Damit könnte sie 135 der 199 Parlamentsmandate errungen haben. 

Orban kann so voraussichtlich zum vierten Mal in Folge mit einer verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit regieren. „Wir haben einen großartigen Sieg errungen – einen so großen Sieg, dass man ihn womöglich vom Mond sehen kann, und ganz sicher in Brüssel“, sagte er in einer ersten Stellungnahme vor der jubelnden Menge.

Eine bittere Niederlage für die vereinte Opposition

Das Bündnis aus sechs Oppositionsparteien, „Ungarn in Einheit“, mit seinem Spitzenkandidaten Péter Márki-Zay schnitt weit unter den Erwartungen ab. Der Zusammenschluss aus dem linken, grünen, liberalen und rechten Spektrum kam auf nur 35 Prozent der Stimmen und 56 Mandate. Márki-Zay konnte nicht einmal in seinem Wahlkreis ein Mandat erringen, er hat die Niederlage mittlerweile schon eingestanden.

Den Einzug ins Parlament schaffte außerdem die rechtsradikale Partei „Unsere Heimat“ mit sechs Prozent der Stimmen und sieben Mandaten. Ein für Nationalitäten erreichbares Mandat ging an den Vertreter der deutschen Minderheit, der als Verbündeter der Fidesz gilt. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 70 Prozent und war damit ähnlich hoch wie vor vier Jahren.

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