Freitag, 19. April 2024
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Erster queerer Gesundheitsbericht zeigt erschreckende Lücken

Der Gesundheitszustand queerer Menschen ist in Österreich schlechter als jener der Gesamtbevölkerung. Das geht aus dem ersten österreichischen LGBTIQ+-Gesundheitsbericht hervor, der heute präsentiert wurde.

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In Österreich bezeichnen 74 Prozent der Gesamtbevölkerung ihren Gesundheitszustand als sehr gut oder gut – bei LGBTIQ+-Personen sind es nur 60 Prozent. Weitere 29 Prozent bewerteten den eigenen Gesundheitszustand als mittelmäßig, elf Prozent als schlecht oder sehr schlecht. Das ist deutlich mehr als in der Gesamtbevölkerung, wo die Anteile bei 19 bzw. 6 Prozent liegen. Insgesamt 45 Prozent der LGBTIQ+-Personen berichten von einer mindestens 6 Monate dauernden Erkrankung.

Besonders psychische Erkrankungen sind bei queeren Personen häufig

Besonders häufig leiden LGBTIQ+-Personen unter psychischen Erkrankungen: 53 Prozent hatten nach eigenen Angaben in den letzten zwölf Monaten eine Depression. Bei 29 Prozent der Befragten wurde die Depression ärztlich diagnostiziert. In der Gesamtbevölkerung waren es laut Gesundheitsbefragung 2019 lediglich sechs Prozent.

Das zeigt der erste österreichische LGBTIQ+-Gesundheitsbericht, den Gesundheitsminister Johannes Rauch von den Grünen und Sylvia Gaiswinkler von der Gesundheit Österreich GmbH heute präsentiert haben. 

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Fast neun von zehn Befragten wurden in den letzten zwei Jahren diskriminiert

Noch immer werden trans- und intergeschlechtliche sowie homo- und bisexuelle Menschen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung benachteiligt. So gaben 89 Prozent an, in den letzten zwei Jahren diskriminiert worden zu sein. Drei Viertel führten das auf ihre sexuelle Orientierung zurück, 61 Prozent auf ihr Geschlecht bzw. ihre Geschlechtsidentität. 

Besonders bedenklich: 54 Prozent berichteten über Diskriminierung im Gesundheitsbereich, etwa durch unangebrachte Kommentare, Beleidigungen oder den Druck, sich einer bestimmten medizinischen oder psychologischen Behandlung zu unterziehen.

Diskriminierung im Gesundheitssystem gefährdet die Betroffenen

Fast die Hälfte der Befragten meidet deshalb den Kontakt mit Gesundheits-Dienstleistungen zumindest teilweise. Mit der Gesundheitsversorgung insgesamt sind 52 Prozent der Befragten LGBTIQ+-Personen eher oder sehr zufrieden, nur 16 Prozent sind eher oder sehr unzufrieden.

Dagegen möchte Gesundheitsminister Rauch ankämpfen. „Wir haben ein hervorragendes Gesundheitssystem. Dass so viele Menschen über diskriminierende Erfahrungen berichten, zeigt dennoch Handlungsbedarf“, so der Minister: „Gerade in der Gesundheitsversorgung haben wir die Verantwortung, alle Menschen bestmöglich zu versorgen – unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung“

Erste Maßnahmen für eine diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung von LGBTIQ+-Personen

Das Gesundheitsministerium möchte deshalb Maßnahmen für eine bessere, diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung von LGBTIQ+-Personen setzen. So habe die Studie auch gezeigt, dass es Bedarf an besseren Informationen für das Gesundheitspersonal gebe, so Rauch. In einem ersten Schritt wurden zwei Broschüren, „Coming Out“ und „Vielfalt willkommen heißen“, als Begleitung für queere Personen und das Gesundheitspersonal erarbeitet.

Noch in diesem Jahr soll zusätzlich ein E-Learning-Tool zur Sensibilisierung von Gesundheitspersonal starten. Außerdem sollen nun Maßnahmen zur Sensibilisierung des Gesundheitspersonals und ein Gesundheitsförderungsprogramm für Coming-out-Prozesse und Transitionsprozesse konzipiert werden. Die Webseite des Ministeriums wurde mit Inhalten zu queerer Gesundheit und Coming-Out-Informationen ergänzt.

„Die im Gesundheitsbereich tätigen Menschen wollen sicher das Beste für alle Patient*innen. Vor allem in den Bereichen Inter* und Trans* gelingt das leider nicht immer, wie der vorliegende Bericht aufzeigt. Für diese Themen braucht es eine an die Lebensrealitäten der betroffenen Menschen angelehnte Sensibilisierung des Gesundheitspersonals. Die vom Ministerium geplanten Maßnahmen sind ein wichtiger erster Schritt“, so Conny Felice, Geschäftsführerin der HOSI Salzburg.

Bericht entstand mit Unterstützung der Community

Der erste österreichische LGBTIQ+-Gesundheitsbericht wurde im Auftrag des Gesundheitsministeriums von der Gesundheit Österreich GmbH erarbeitet und von einer Expert:innengruppe und Vertreter:innen der verschiedenen Communities, begleitet. Dazu gehörten unter anderem die Beratungsstelle Courage, die HOSI Salzburg; der Verein TransX, die Gender Medicine & Diversity Unit der Medizinischen Universität Innsbruck, das Flüchtlingsprojekt Queer Base, Venib – Verein Nicht-Binär sowie VIMÖ – Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich. 

Das Gesundheitsministerium sieht den Bericht als ersten Schritt, Vielfalt im Gesundheitssystem sichtbarer zu machen. Der Bericht zeige, dass „zu den unterschiedlichen Gruppen und gesundheitsrelevanten Themen weitere Arbeiten notwendig sind, damit sich im Gesundheitssystem vorhandene Benachteiligungen hin zu gleichen Chancen entwickeln können“, so Sylvia Gaiswinkler von der Gesundheit Österreich GmbH. Für den Bericht wurden 1047 Personen aus der Gruppe online befragt.

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