Donnerstag, 21. September 2023
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Legendäre Schwulendisco wehrt sich gegen Flüchtlingsheim

In Berlin macht die Betreiberin eines der bekanntesten Schwulenclubs gegen ein Flüchtlingsheim in der Umgebung mobil. Sie fürchtet um die Sicherheit ihrer Gäste - und bekommt dafür Applaus von jenen, denen die Community sonst nicht so am Herzen liegt.

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Unter den queeren Orten in Berlin nimmt die „Busche“ eine besondere Stellung ein: Im Jahr 1985 – noch zu DDR-Zeiten – in der Buschallee in Weißensee eröffnet, hat die Schwulendisco seit 2004 ihr Zuhause am Warschauer Platz in Berlin-Friedrichshain.

„Straftäter sind Migranten mit muslimischem Hintergrund“

Doch jetzt sieht Carla Pahlau, die Betreiberin des Clubs, die „Busche“ in ihrer Existenz gefährdet. Grund dafür: Ein geplantes Heim für bis zu 650 Geflüchtete in einem ehemaligen Hostel nahe des Lokals. Das Heim würde Unsicherheit für Familien im Viertel und ihre Gäste schaffen, behauptet Pahlau.

In einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner von der CDU, schreibt die „Busche“-Chefin, die Kriminalität im Viertel sei bereits gestiegen. „Die weitaus überwiegende Zahl der Straftäter sind Migranten mit muslimischem Hintergrund“, behauptet sie – ohne es allerdings belegen zu können.

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Davon besonders betroffen soll die LGBTI-Community sein. „In den letzten Monaten erhöhte sich die Zahl der Straftaten gegen homosexuelle Personen in Berlin enorm“, so Pahlau. Das bestätigt auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP): Die Zahl der Angriffe auf queere Menschen habe zuletzt zugenommen, heißt es – in der offiziellen Polizeistatistik wird die Religionszugehörigkeit der Tatverdächtigen aber nicht erhoben.

Kritik und Unterstützung für die „Busche“-Chefin

In der LGBTI-Community und der Berliner Lokalpolitik sind die Reaktionen auf Pahlaus Aussagen gemischt. Auf der einen Seite wird sie dafür kritisiert, sich an rechtspopulistische Debatten anzunähern. Andere teilen ihre Sorgen. 

Kein Problem sieht etwa Wiebke Neumann, queerpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. „Wenn die Geflüchteten etwa durch Sozialarbeiter:innen auf ihren neuen Sozialraum vorbereitet werden, entsteht auch kein erhöhtes Konfliktpotenzial“, sagt sie der B.Z., und ähnlich äußert sich auch Katina Schubert, Sprecherin für Soziales in der Links-Fraktion: „Geflüchteten muss nicht unterstellt werden, dass sie Safe Spaces stören“, meint sie.

Ist der offene Brief nur ein „PR-Stunt“?

Einen „PR-Stunt“ der „Busche“ vermutet hingegen Michaela Dudley in der Online-Ausgabe des queeren Berliner Stadtmagazins Siegessäule. „Wenn es darum geht, Migrant*innen zu dämonisieren, werden rechte Demagog*innen, die sonst Gift und Galle gegen nicht heterosexuelle Menschen speien, von jetzt auf gleich zu ‹Verbündeten› der LGBTIQ*-Community“, schreibt sie: „Eine erfundene Gefährdung wird zum gefundenen Fressen für all jene, die ‹den muslimischen Mann› als Erzfeind der queeren Community darstellen.“

Pahlau selbst will sich aber nicht ins rechte Eck stellen lassen. Sie betont, dass sie die Verantwortung für die Sicherheit der „Busche“ und ihrer Gäste trage. Allerdings wird die Berichterstattung über ihren Brief – unter anderem auch auf der umstrittenen Website Exxpress – derzeit in rechten Kreisen heftig geteilt, um die dortigen Klischees über Geflüchtete zu bestätigen.

Die Berliner Sozialverwaltung hält unterdessen am Standort fest. Sie betont die Bedeutung der Integration von Geflüchteten in Vierteln mit vorhandener sozialer Infrastruktur.