Freitag, 19. April 2024
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Regierung in Polen beseitigt unbequemen Menschenrechtsbeauftragten

"Weiteres Beispiel für die Annektierung des Staates durch die Regierungspartei"

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In Polen muss Menschenrechtsbeauftragter Adam Bodnar sein Amt abgeben – auch, weil er sich zu sehr für die Rechte der LGBTI-Community eingesetzt hat. Das Verfassungsgericht hat entschieden, dass er sein Amt innerhalb von drei Monaten abgeben muss. Sein Nachfolger ist ein konservativer Parteigänger der nationalistischen Regierungspartei PiS.

Bodnar muss sein Amt räumen, auch wenn es keinen Nachfolger gibt

Wie das Höchstgericht entschieden hat, ist es nicht verfassungskonform, dass der 44 Jahre alte Bodnar nach dem Ende seiner regulären Amtszeit im September seine Funktion bis zur Ernennung eines Nachfolgers behalte, so die Begründung des Gerichts am Donnerstag. Die Verfassungsrichter:innen haben dem Gesetzgeber drei Monate Zeit gegeben, um eine andere Regelung zu finden.

Doch diese dürfte die rechtskonservative Regierung schon gefunden haben: Im vierten Anlauf möchte die größte Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) ihren eigenen Abgeordneten Bartlomiej Wroblewski zum neuen Menschenrechtsbeauftragten machen. Der 46-Jährige gilt – ganz auf Parteilinie – als LGBTI-feindlich. So hat er Vorwürfe der EU, sein Land benachteilige Angehörige sexueller Minderheiten, als „Fake News“ abgetan.

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Der neue Menschenrechtsbeauftragte setzte eine Verschärfung des Abtreibungsrechts durch

Auch sonst ist Wroblewski voll auf konservativer Regierungslinie: So gehört er zu einer Gruppe von Parlamentariern, die mit einem Antrag beim polnischen Verfassungsgericht erfolgreich eine Verschärfung des Abtreibungsrechts erwirkt hatten. Diese Verschärfung führte zu Proteststurm der polnischen Frauen und zu tagelangen Demonstrationen gegen die Verschärfung – für einen Menschenrechtsbeauftragten eine eher unübliche Referenz.

Sein Vorgänger Bodnar, ein anerkannter Verfassungsrechtler, hatte das Amt seit 2015 inne. Die reguläre Amtszeit für den polnischen Menschenrechtsbeauftragten beträgt fünf Jahre. In dieser Zeit hat er sich – auch wegen seines Einsatzes für sexuelle Minderheiten – zu einem der schärfsten Kritiker der von der PiS geführten nationalkonservativen Regierung entwickelt.

NGOs kritisieren „feindliche Übernahme des Amtes“

Nach dem Ende seiner Amtszeit im September konnten sich die beiden Kammern des polnischen Parlaments monatelang nicht auf die Nachfolge Bodnars einigen – der Menschenrechtsbeauftragte muss von beiden Häusern bestätigt werden, im Sejm hat die PiS die Mehrheit, im Senat die Opposition. Daraufhin blieb der 44-Jährige im Amt – bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts.

Gegen diese haben mittlerweile mehr als hundert Nichtregierungsorganisationen protestiert. Man wehre sich gegen die „feindliche Übernahme“ des Amtes, heißt es in dem Schreiben, das unter anderem von der Helsinki-Stiftung für Menschenrechte und Amnesty International unterzeichnet wurde. Das Urteil sei „ein weiteres Beispiel für die Annektierung des Staates durch die Regierungspartei, die Untergrabung der Fundamente der Demokratie und die Umgehung der Verfassung“, heißt es weiter.

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