Samstag, 27. April 2024
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Russland bringt Gesetz gegen ‚Homo-Propaganda‘ auf den Weg

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Das russische Parlament hat am Freitag mit überwältigender Mehrheit ein Gesetz in erster Lesung angenommen, das „Homo-Propaganda“ unter Strafe stellen soll – und damit Lesben und Schwule in gang Russland unsichtbar macht. Das Gesetz könnte im Laufe des Jahres beschlossen werden und in Kraft treten, europäische Politiker protestieren entschieden gegen den Entwurf.

Nur eine Gegenstimme in der Staatsduma

Auch, wenn das Gesetz nicht definiert, welche „Homo-Propaganda“ eigentlich verboten werden soll, findet das Gesetz in der Duma, dem russischen Parlament, große Zustimmung: 388 Abgeordnete stimmten für das Gesetz, dagegen stimmte nur der Abgeordnete Sergej Kuzin, ein weiterer Abgeordneter enthielt sich.

Dem Gesetz zufolge würde „Homo-Propaganda“ bei Privatpersonen mit bis zu 5.000 Rubel, umgerechnet etwa 125 Euro, bestraft werden. Bei Amtsträgern verdoppelt sich die Summe, bei juristischen Personen ist ein Hundertfaches der Strafe möglich. Das Gesetz muss nun noch vom russischen Oberhaus und Präsident Wladimir Putin gebilligt werden, damit es in Kraft treten kann.

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„Kindeswohl“ als Begründung für Maulkorb

Begründet wird das Gesetz mit dem Kindeswohl. „Die Propaganda von Homosexualität schränkt das Recht von Kindern auf freie Entwicklung ein“, weil Minderjährigen „sexuelle Präferenzen aufgebürdet“ würden, so Jelena Misulina, die Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Familien-, Frauen- und Kinderfragen.

Ähnliche Gesetze gelten bereits in Teilen Russlands, unter anderem in St. Petersburg. Schwulen und Lesben sind dort öffentliche Veranstaltungen wie Proteste und Paraden verboten, ebenso untersagt ist es, die Regenbogenflagge zu zeigen. Lesben und Schwulen ist es in der Öffentlichkeit auch verboten, in der Öffentlichkeit ihre Zuneigung zu zeigen. Auch Reden über Homosexualität werden damit allerdings als verbotene „Propaganda“ eingestuft.

Homo-Demonstranten wurden festgenommen, rechte Schläger nicht

Am Rande der Abstimmung gab es Ausschreitungen vor dem Parlamentsgebäude, als schwul-lesbische Aktivisten während eines Protest-Kiss-In von Nationalisten mit Eiern und Farbe beworfen wurden. Dabei gab es 20 Festnahmen. Mitgenommen wurden allerdings 20 schwul-lesbischen Aktivisten – sie hätten eine Ordnungswidrigkeit in der Öffentlichkeit begangen, so die Behörden.

Die Gesetzesinitiative zeigt, dass die Hexenjagd auf Schwule und Lesben politisches Kalkül ist: Denn Homosexualität selbst bleibt legal, ist aber in der russischen Gesellschaft bereits ohnehin in den Untergrund gedrängt. Präsident Putin hofft, mit solchen Maßnahmen aus seinem Popularitäts-Tief zu kommen. Er möchte mit diesem Gesetz bei Konservativen, Rechten und Orthodoxen punkten – auf Kosten einer bereits jetzt schon unterdrückten Minderheit.

Lunacek fordert „scharfe Reaktion“ von der EU

Die Grüne Europaabgeordnete Ulrike Lunacek fordert von der EU „eine scharfe Reaktion gegen diese homophobe Gesetzgebung“. „Putin und seine Gefolgsleute betreiben hier eine Sündenbockpolitik, mit der sie von den wahren Problemen Russlands, allen voran Armut und Korruption, ablenken wollen!“, so die offen lesbische Abgeordnete weiter.

„Feindseligkeit gegenüber Schwulen und Lesben ist in der Gesellschaft weit verbreitet, und die Duma, die zuletzt eine Zahl unpopulärer Gesetze erlassen hat, hofft, dass sie sich mit Anti-Schwulen-Gesetzen beliebt macht“, ärgert sich die russische Menschenrechtsaktivistin Ljudmila Alexejewa. Für die Lesben- und Schwulengruppe „All Out“ geht es nicht nur um Lesben- und Schwulenrechte. Sie bezeichnete den Gesetzesentwurf als „eine der unverfrorensten Attacken auf die Bürgerrechte in den letzten Monaten“: „Alle Formen bürgerlicher Freiheiten“ seien schon betroffen, inklusive der Rede- und Meinungsfreiheit.

Gesetzesentwurf erschwert HIV-Aufklärung zusätzlich

Experten warnen, dass die Aufklärung über HIV und Aids nun noch weiter eingeschränkt werden könnte. In Russland wäre das eine Katastrophe: Schätzungen der UNO zufolge leben in Russland rund 1,2 Millionen HIV-Positive – etwa ein Prozent der erwachsenen Einwohner. In West- und Mitteleuropa liegt diese Quote bei 0,2 Prozent. Im Oktober hatte die UNO-Teilorganisation UNAIDS die Lage in Russland als „kritisch“ klassifiziert.

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