Dienstag, 19. März 2024
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Faßmann hält Schultüren für religiöse Fundis offen

Selbst wenn TeenSTAR seine Materialien überarbeitet, verändert sich dadurch nicht die dahinterliegende Ideologie, meint der Geschäftsführer der HOSI Salzburg.

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„Kein Sex vor der Ehe“, Homosexualität und Transidentität als Störungen und Masturbation als Problem – so gut sich die Schlagsätze als Teaser in Zeitungsartikeln machen, so sehr sind sie doch nur Puzzleteile eines größeren Bildes.

Wie konnten sich christliche Hardliner*innen mit haarsträubenden Inhalten in die schulische Sexualpädagogik einschleichen und über 10 Jahre tätig sein? Wer ist für die Qualität von Sexualpädagogik verantwortlich und wie ernst nehmen wir es mit den Kinderrechten? Die Causa TeenSTAR wirft viele Fragen auf. Politische Antworten gibt es bisher kaum.

„Theologie des Leibes“ als Pflichtlektüre für Sexualpädagog*innen

Dass es der Verein TeenSTAR mit der christlichen Sexualmoral etwas zu genau nimmt, war für Kenner*innen der sexualpädagogischen Fachszene keine große Überraschung. Überraschend war, wie offen der Verein – der sich in der Zwischenzeit den religiösen Hardliner und Ex-FPÖ-Politiker Ewald Stadler als Anwalt zur Seite geholt hat – seine ultrakonservative Ideologie in internen Unterlagen niederschreibt.

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Die Unterlagen dienen zur Schulung von TeenSTAR-Kursleiter*innen und beschreiben akribisch die Abläufe von Workshops, Elternabenden und die Kontaktaufnahme mit Schulen. Es sind über tausend Seiten, thematisch geordnet in zwei dicken gelben Mappen, die Zeugnis abgeben über das religiös-fundamentalistische Weltbild von TeenSTAR.

„Wenn ihr euch so sehr liebt, warum heiratet ihr nicht gleich? Wenn nicht, warum habt ihr dann Geschlechtsverkehr?“

So soll Jugendlichen in Einzelgesprächen eingetrichtert werden, dass Sex in die Ehe gehöre. Es werden intime und manipulative Fragen zu Sexualkontakten gestellt: „Wenn ihr euch so sehr liebt, warum heiratet ihr nicht gleich? Wenn nicht, warum habt ihr dann Geschlechtsverkehr?“ Zur Pflichtlektüre für Kursleiter*innen gehören ein Buch über die „Theologie des Leibes“ von Papst Johannes Paul II, das sich wohl eher für ein Priesterseminar als für die Ausbildung von Sexualpädagog*innen eignet, und Werke über die Natürliche Empfängnisregelung – keines jedoch zu konventionellen Verhütungsmethoden.

Zu den Grundsätzen von TeenSTAR, die Kursleiter*innen unterschreiben müssen, gehören „die Hinführung zu einer positiven Sicht der Natürlichen Empfängnisregelung“ sowie die „natürliche Einheit von sexueller Hingabe und Fruchtbarkeit, die durch Verhütung getrennt würde“, im Klartext also: Kondome und hormonelle Verhütungsmethoden verboten. TeenSTAR missbraucht das Format von sexualpädagogischen Workshops, um Kindern und Jugendlichen sein bizarres Weltbild aufzuzwingen.

Nebelwerfer-Politik statt Aufdeckung

Was haben Stephanie Cox (Jetzt), Ewa Dziedzic (Grüne), Mario Lindner (SPÖ) und Douglas Hoyos (NEOS) gemeinsam? Sie alle sind um Aufdeckung in der Causa TeenSTAR bemüht und haben parlamentarische Anfragen zur Thematik gestellt. Faßmann ist, im Gegensatz zu so manchem Ministerkollegen, eigentlich dafür  bekannt, dieses Instrument der demokratischen Kontrolle noch ernst zu nehmen. Antworten zum Prüfungsergebnis liefert er dennoch nicht. In der Zwischenzeit ist der umstrittene Verein weiterhin an Schulen tätig.

Anstatt ein halbes Jahr nach der Übergabe der TeenSTAR-Unterlagen die Reißleine zu ziehen, betreibt das Bildungsministerium eine Nebelwerfer-Politik und schickt Generalsekretär Martin Netzer vor, um die Medien abzulenken. Bei der Überprüfung „konnten keinerlei Hinweise gefunden werden, die die medial kolportierten Vorwürfe bekräftigt hätten“, so Netzer gegenüber PULS 4 am 7. Februar. Tatsächlich spricht er dabei von Unterlagen, die der Verein TeenSTAR selbst dem Ministerium übergeben habe. Doch um diese Unterlagen geht es nicht! Gegenstand der Prüfung sollten genau jene zwei dicken gelben Mappen sein, die die HOSI Salzburg dem Bildungsministerium im Sommer 2018 übergab. Martin Netzer ist entweder schlecht informiert oder er betreibt ein plumpes Ablenkungsmanöver.

Veraltete Unterlagen oder veraltete Ideologie?

Der Verein TeenSTAR wiederum versucht sich mit der Ausrede zu retten, die Unterlagen seien veraltet und schon längst in Überarbeitung. Tatsächlich sind sie mit „Jänner 2017“ datiert und als „Gemeinschaftsproduktion von TeenSTAR Deutschland, Österreich und Schweiz in Kooperation mit TeenSTAR International“ gekennzeichnet. Veraltet werden die Unterlagen erst sein, wenn das Bildungsministerium die Überprüfung noch länger grundlos in die Länge zieht.

Selbst wenn TeenSTAR seine Materialien überarbeitet, verändert sich dadurch nicht die dahinterliegende Ideologie. Ein religiös-fundamentalistischer Verein, der versucht Kinder und Jugendliche zu indoktrinieren, darf nicht länger offene Schultüren vorfinden! Minister Faßmann muss politische Verantwortung übernehmen, anstatt sie auf Bildungsdirektionen und Lehrer*innen abzuwälzen.


Paul Haller ist Geschäftsführer der HOSI Salzburg, Mitglied der Plattform Intersex Österreich, Sozialarbeiter, Sexualpädagoge und Fachkraft für Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen.

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