Samstag, 27. April 2024
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Italien löscht schwule und lesbische Elternteile aus Geburtsurkunde

Sexuellen Minderheiten weht in Italien ein scharfer Wind entgegen. Nun verlieren die Kinder in Regenbogenfamilien einen Elternteil - zumindest rechtlich.

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Schon im Wahlkampf hat die nun amtierende Ministerpräsidentin Giorgia Meloni angekündigt, Italien werde keine Regenbogenfamilien dulden. Bereits jetzt gilt das Land als Schlusslicht in Westeuropa, wenn es um LGBTI-Rechte geht: Die Ehe ist nicht geöffnet, gleichgeschlechtliche Partnerschaften gibt es erst seit 2016, und ein gleichberechtigtes Adoptionsrecht wurde unter anderem von der Kirche sabotiert.

Seit zehn Jahren werden Regenbogenfamilien de facto anerkannt

Nun geht es italienischen Regenbogenfamilien an den Kragen: Vor knapp zehn Jahren haben die ersten Jugendgerichte begonnen, bei lesbischen Paaren auch die nicht-leibliche Mutter anzuerkennen. Ab 2017 wurden ausländische Geburtsurkunden mit gleichgeschlechtlichen Elternteilen in Italien überschrieben.

Damit ist jetzt Schluss. Das italienische Innenministerium hat die Präfekten angewiesen, in ihren Regionen den Eintrag von zwei gleichgeschlechtlichen Elternteilen durch das Standesamt zu verbieten. Damit sollen „konservative moralische Werte“ gefördert werden, heißt es.

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Auch bestehende Geburtsurkunden werden geändert

In der norditalienischen Stadt Padua will die Staatsanwaltschaft sogar entsprechende Einträge aus bestehenden Geburtsurkunden streichen. Demnach hätten nur mehr die gebärende Mutter oder der zeugende Vater haben danach ein Recht, in der Geburtsurkunde ihres Kindes aufzutauchen.

Alleine in der etwas mehr als 200.000 Einwohner zählenden Stadt Genua betrifft das 33 Kinder. Eines davon ist Vittoria, die Tochter von Vanessa Finesso und Cristina Zambon.

Wer kümmert sich um das Kind, wenn die leibliche Mutter stirbt?

Bei Vittoria, die 2022 zur Welt kam, wurde Cristinas Eizelle befruchtet und Vanessa eingesetzt. „Ich habe sie zwar geboren, aber Vittoria hat Cristinas DNA“, ist Vanessa Finesso gegenüber italienischen Medien verzweifelt.

Denn künftig soll nur mehr sie als Mutter gelten, ihre Partnerin wäre rechtlich gesehen für das Kind eine Fremde. Doch Vanessa leidet an Knochenkrebs. Und während bis jetzt klar war, wer sich um Vittoria kümmert, sollte sie sterben, ist die Frage jetzt völlig offen.

Kritik von der Opposition – doch rechtlich ist alles in Ordnung

„Es ist unbegreiflich, was die Rechts-Regierung gegen diese Kinder hat und warum sie ihnen die Familie wegnehmen wollen“, ärgert sich die bisexuelle Oppositionsführerin Elly Schlein von der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) über die neue Regelung: „Wir sprechen von Burschen und Mädchen, die bereits in unseren Gemeinden aufwachsen und zur Schule gehen.“

Doch rechtlich ist die neue Regelung abgesichert. Im Dezember hatte der Kassationsgerichtshof – vergleichbar mit dem Obersten Gerichtshof in Österreich – entschieden, dass im Fall eines schwulen Paares, deren Kind in Kanada geboren wurde, in Italien nur der Samenspender als Vater eingetragen werden dürfe.

Auch Gerichte und die Kirche mahnen mehr Rechte für Kinder in Regenbogenfamilien

Was die Regierung aber ignoriert: Das Gericht forderte den Gesetzgeber auch ausdrücklich dazu auf zu handeln. Ein Thema, das „noch vor den juristischen Fragen so viele ethische, anthropologische, soziale Fragen berührt“, könne nicht von der Rechtsprechung gelöst werden, sondern „von der Politik und in demokratischer Auseinandersetzung“, so die Richter – die ausdrücklich betonten, dass Kinder aus Regenbogenfamilien in Italien weniger Rechte hätten, wenn man ihnen zwei Elternteile versage.

Zu Jahresbeginn 2021 war das italienische Verfassungsgericht sogar noch deutlicher geworden. Er forderte das Parlament auf, „so schnell wie möglich die Schutzlücke schließen“, die die Kinder von Regenbogeneltern von denen heterosexueller Partnerschaften trennt und ihnen das Recht auf zwei Eltern nimmt.

Das sieht mittlerweile auch die römisch-katholische Kirche offenbar so. „L’avvenire“, das Zentralorgan der Kirche, hatte „Gerechtigkeit für den Tag danach“ gefordert: Auch, wenn man wie bei gleichgeschlechtlichen Paaren gegen die Umstände der Zeugung sei, dürfe man die Kinder nicht darunter leiden lassen, die so zur Welt kämen.

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