Freitag, 26. April 2024
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[Update] Istanbul: Pride-Veranstalter verklagen Politiker

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Die gewalttätigen Angriffe der Polizei gegen die Istanbul Pride am letzten Samstag sorgen weiter für Empörung: Die Organisatoren haben angekündigt, die verantwortlichen Politiker anzuzeigen.

Tränengas, Wasserwerfer und Gummigeschoße – die Polizisten, die während der 13. Istanbul Pride gegen die Teilnehmer vorgegangen sind, waren nicht zimperlich. Umso kleinlauter werden unterdessen die Begründungen des Gouverneurs der Stadt, warum die Polizei zum ersten Mal in der Geschichte der Istanbul Pride gewaltsam eingeschritten ist: Zunächst erklärte Vasip Şahin von der konservativen Regierungspartei AKP, dass die Veranstaltung wegen des islamischen Fastenmonat Ramadan in letzter Minute verboten werden musste. Als er darauf angesprochen wurde, dass dies in den letzten Jahren nie ein Problem war, erklärte Şahin, es habe Sicherheitsbedenken gegen die Istanbul Pride gegeben. Dabei berief er sich auf „Geheimdienstinformationen“ aus „sozialen Medien und anderen Quellen“.

Verbot aus politischen Gründen?

Kenner der politischen Lage in der Türkei vermuten allerdings, dass der wahre Grund für das Verbot und die Angriffe der Erfolg des Istanbul Pride war: Erstmals nahmen auch fünf neu Abgeordnete der Opposition an dem Marsch durch die Stadt am Bosporus teil. Die Abgeordneten der sozialdemokratischen CHP und der ehemaligen Kurdenpartei HDP gaben der Veranstaltung, die einst mit einer Handvoll Teilnehmern begann, ein neues Gewicht.

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Und das gefällt der regierenden AKP wohl nicht. Nach ihrer überraschenden Wahlniederlage ist die islamisch-konservative Partei von Präsident Recep Tayyip Erdoğan dabei, sich neu zu sammeln und die Opposition so gut wie möglich zum Schweigen zu bringen – und selbst offenbar einen Schwerpunkt auf konservative Werte zu legen, die sie mit allen Mitteln verteidigen will. Erdoğan selbst hatte in der Vergangenheit unter anderem erklärt, Homosexualität widerspreche dem Islam.

Veranstalter wollen Politiker klagen

Für die politisch Verantwortlichen könnte das nun unangenehm werden: Die Organisatoren der Istanbul Pride haben nun auf ihrer Facebook-Seite angekündigt, Strafanzeige gegen den Gouverneur, Innenminister Efkan Âlâ und den Istanbuler Polizeichef Selami Altınok zu erstatten. Unter anderem werfen die Schwulen- und Lesbenvereine den Behörden vorsätzliche Körperverletzung, Folter und Amtsmissbrauch vor. Dabei berufen sie sich auf die türkische Verfassung, die Versammlungs- und Redefreiheit garantiere. Unterstützt werden sie dabei von einigen Oppositionsparteien, Gewerkschaften oder Intellektuellen.

Auch über die Zahl der Verletzten gibt es sehr unterschiedliche Sichtweisen: Bei der gewaltsamen Auflösung des Marsches habe es keine Verletzten gegeben, erklärte die Polizei von Istanbul. Augenzeugen hatten dagegen von mindestens fünf Verletzten gesprochen. Ein Mann sei mit einem Gummigeschoss am Auge getroffen worden, berichtet die Istanbuler LGBT-Organisation „Kaos GL“. Es ist derzeit noch nicht sicher, ob er auf diesem Auge je wieder wird sehen können.

Europa kritisiert Polizeieinsatz

Auch in Europa sorgen die Angriffe auf die Istanbul Pride weiterhin für Empörung. So hat der Europarat den Einsatz Polizei scharf kritisiert. Er sei „schockiert und sehr enttäuscht“, erklärte der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muiznieks, auf Facebook: „Die Polizei sollte Demonstranten beschützen, nicht angreifen“.

Kritik gab es auch von mehreren EU-Abgeordneten der LGBT-Intergroup. „Die vom Staat orchestrierte Gewalt ist ein Akt der Verzweiflung von den Behörden, die sich einer stärkeren Opposition stellen müssen, im Parlament wie in der Zivilgesellschaft“, erklärte der deutsche Grüne Terry Reintke, die auch in Istanbul anwesend war. Intergroup-Vizepräsidentin Isabella Adinolfi erklärte, der Angriff der Behörden werden „eine große Rolle in den Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen spielen“.

Die Außenpolitische Sprecherin der österreichischen Grünen, Tanja Windbüchler, zeigte sich ebenfalls entrüstet: „Die Polizei in einem demokratischen Staat darf nicht mit Gewalt gegen eine Gay Pride Parade vorgehen“, schreibt sie in einer Aussendung. Windbüchler rief Außenminister Sebastian Kurz auf, die Türkei aufzufordern, die Rechte der LGBT-Community zu wahren.

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