Freitag, 29. März 2024
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Justizausschuss beschließt halbherzige Rehabilitation von verurteilten Schwulen

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Der Justizausschuss des Nationalrates hat gestern mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und NEOS die Tilgung von Verurteilungen nach bereits gestrichenen Anti-Homosexualitäts-Paragraphen beschlossen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat diese bereits 2013 gefordert.

In Jugendgerichtsnovelle versteckt

Konkret verabschiedete der Justizausschuss im Rahmen einer Novelle des Jugendgerichtsgesetzes das „Bundesgesetz zur Tilgung von Verurteilungen nach §§ 129 I, 129 I lit. b, 500 oder 500a Strafgesetz 1945 sowie §§ 209 oder 210 Strafgesetzbuch“: Eine Änderung des Tilgungsgesetzes, durch die nun sämtliche nachteiligen Folgen von Verurteilungen nach den damals gültigen Anti-Homosexuellen-Paragraphen des Strafgesetzbuches beseitigt werden sollen.

Zunächst klingt die Gesetzesvorlage für die Betroffenen positiv: Verurteilungen wegen der betreffenden Paragraphen „sind auf Antrag durch gerichtlichen Beschluss zu tilgen, insoweit sie Handlungen erfassten, die bei verschiedengeschlechtlicher Begehung nicht strafbar waren“. Schuldsprüche anderer Taten, auch wenn sie mit diesen Verurteilungen zusammenfielen, bleiben von der Tilgung unberührt. Allerdings wird dann die Höhe der verhängten Strafen auf das Höchstmaß des verbliebenen Deliktes reduziert, Ansprüche auf Entschädigung gibt es in diesen Fällen keine.

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Tilgung nicht automatisch, sondern nur auf Antrag

Doch der Teufel liegt im Detail: Die Tilgung erfolgt nicht automatisch, sondern nur auf Antrag des Verurteilten, eines Angehörigen oder der Staatsanwaltschaft. Beschlossen wird sie dann durch ein Gericht. Die Staatsanwaltschaft muss die Tilgung beantragen, wenn „für den Verurteilten keine tilgungsrechtlichen Nachteile zu erwarten sind“, so der Gesetzestext. Anders ist es, wenn eine Tilgung eine Strafe nur herabsetzt, nicht aufhebt. Denn diese erfolgt nur auf Antrag des Verurteilten oder eines Angehörigen. Das Gericht entscheidet immer in einer nicht öffentlichen Sitzung darüber.

Auf verwaltungsrechtliche Verfahren hat die Tilgung der Strafurteile überhaupt keine Auswirkungen: Wenn jemandem beispielsweise der Führerschein weggenommen wurde, weil er als verurteilter Schwuler als unzuverlässig galt, ändert sich für diesen Betroffenen zunächst nichts.

RKL: Gesetzesänderung „von Unwillen gekennzeichnet“

Kritik an diesem Gesetz kommt deshalb vom Rechtskomitee Lambda (RKL): Es sei „gekennzeichnet vom Unwillen, das Urteil des EGMR umzusetzen“. Das zeige sich daran, dass das Gesetz „still und heimlich an das Jugendgerichtsgesetz angehängt und mit einem abolut unaussprechlichen und unzitierbaren Titel versehen wurde“, so die LGBT-Bürgerrechtsorganisation.

Weiters kritisiert das RKL, dass die Verurteilungen nicht automatisch gelöscht werden, sondern nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft, des Verurteilten oder eines Angehörigen. Dadurch müssten die Betroffenen „ein neuerliches Gerichtsverfahren über sich ergehen lassen. Vor eben jenem Gericht, das ihre Menschenrechte verletzt und sie allzuoft für ihr Leben traumatisiert hat“, so RKL-Präsident Helmut Graupner.

Keine Entschädigung, keine Entschuldigung

Und auch die Botschaft, die das Gesetz zwischen den Zeile vermittelt, gefällt dem RKL nicht. „Kein Opfer der jahrzehntelangen homophoben Strafverfolgung wird entschädigt. Keine einzige Verurteilung wird aufgehoben, mit Folgen im gesamten Verwaltungsrecht. Ja nicht einmal eine Silbe des Bedauerns oder der Klarstellung, dass die Fortsetzung der Verfolgung homosexueller Frauen und Männer auch in der Zweiten Republik Unrecht war, findet sich im Gesetzestext. Der deutsche Bundestag hat eine solche Ehrenerklärung bereits im Jahr 2000 einstimmig verabschiedet“, heißt es seitens des Rechtskomitees.

Die Grünen teilen diese Kritik: Auch Justizsprecher Albert Steinhauser verlangt eine volle Rehabilitierung der Betroffenen. Seine Fraktion lehnte den Gesetzesentwurf im Justizausschuss ab.

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