Samstag, 20. April 2024
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Nationalrat beschließt Verbot von Sexualkunde-Vereinen an Schulen

Die ehemaligen Koalitionspartner ignorieren Experten und mehr als 20.000 besorgte Österreicher

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Der österreichische Nationalrat hat am Mittwoch mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ beschlossen, dass externe Vereine künftig ganz aus dem Sexualkundeunterricht verbannt werden. Ein Rückverweisungsantrag der SPÖ wurde abgelehnt. Für sämtliche Experten und alle anderen im Nationalrat vertretenen Parteien bedeutet das ein Ende der Sexualpädagogik an den österreichischen Schulen. Für die Grüne Bundesrätin Ewa Ernst-Dziedzic ist das eine späte Retourkutsche für die TeenSTAR-Affäre.

Die Sexualerziehung muss „weltanschaulich neutral“ sein – und nicht professionell

Mit ihrem Antrag wollen die ehemaligen Koalitionspartner eine „altersgerechte und weltanschaulich neutrale Sexualerziehung“ sicherstellen, wie sie selbst betonen. Eine eingehende Prüfung der Sachlage habe zudem gezeigt, dass die vom Staat vorgegebene Neutralität („Indoktrinationsverbot“) in diesem Unterrichtssegment oft nicht gewährleistet sei, so die Argumentation für die Initiative. Man brauche Expertise und keine Ideologie, betonte Wendelin Mölzer von der FPÖ. Viele Eltern wollten, dass die Sexualerziehung und Aufklärung im Elternhaus stattfindet, pflichtete ihm Parteikollegin Edith Mühlberghuber bei.

Rudolf Taschner von der ÖVP erinnerte an den Grundsatzerlass zur Sexualpädagogik der ehemaligen Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek, in dem festgehalten sei, dass Sexualität fächerübergreifend über die gesamte Schulzeit unterrichtet werden müsse. Die Verantwortung sei dabei den Lehrerinnen und Lehrern übertragen worden und das sei auch grundvernünftig, meinte Taschner. Dem widersprach Heinisch-Hosek energisch: Sie betonte, mit den Vereinen gut zusammengearbeitet zu haben.

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SPÖ, NEOS, JETZT und Experten sind für das zuvor angekündigte Prüfverfahren für Sexualkunde-Vereine

SPÖ, NEOS und JETZT drängen darauf, dass vom ehemaligen Bildungsminister Heinz Faßmann angekündigte Akkreditierungsverfahren für sexualpädagogische Vereine eingeführt wird – entsprechende Stellen dafür gibt es schon, zum Beispiel in Vorarlberg. Für die Sozialdemokraten fordert Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner zusätzlich eine sichere Finanzierung für solche Bildungsmaßnahmen.

Auch Stephanie Cox von JETZT unterstrich, die externen Expertinnen und Experten würden Themen vermitteln, die man zuhause nicht erklären könne. Sie seien auf Tabuthemen und Situationen, die peinlich wirken können, vorbereitet. Seitens der NEOS sprach Doris Hager-Hämmerle von einem verantwortungslosen Schnellschuss. Sie unterstrich die Notwendigkeit, zwischen dem Verhältnis von Lehrern und Schülern und jenem von Beratern und Schülern zu trennen.

Das Vorgehen von ÖVP und FPÖ sei die Retourkutsche für die Causa TeenSTAR, meine bereits letzte Woche die Grüne Bundesrätin Ewa Ernst-Dziedic: „Es ist ein Skandal, dass parteipolitische Grabenkämpfe auf den Rücken unserer Kinder ausgetragen werden“, ärgert sie sich.

Die Bildungsministerin müsse jetzt kühlen Kopf bewahren, hofft die „aktion leben“

Auch die angesprochenen Experten kritisieren den Vorstoß der ehemaligen Koalitionspartner scharf. „Unsere Erfahrung zeigt: Kinder und Jugendliche besprechen sensible Themen bevorzugt mit externen SexualpädagogInnen, die nichts mit ihrem Schulalltag zu tun haben“, meint beispielsweise Martina Kronthaler, Generalsekretärin der „aktion leben“: „Jetzt liegt es an Bildungsministerin Iris Eliisa Rauskala, einen kühlen Kopf zu bewahren“

Expertinnen und Experten, Fachstellen und mehr als 100 Organisationen  aus den Bereichen Sexualpädagogik, Kinderschutz und Missbrauchsprävention haben deshalb die Petition „red ma drüber“ ins Leben gerufen. Sie wurde mittlerweile schon von mehr als 20.000 Personen unterstützt. „Wir sagen ‚ja‘ zur Schulautonomie und zu verbindlichen Qualitätskriterien. Wir sagen ‚nein‘ zum Ausschluss von externen Fachkräften“, heißt es dort.

Einhellige Kritik aller großen LGBT-Organisationen in Österreich

„Gerade lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, intergeschlechtliche und queere Jugendliche profitieren von Erwachsenen, die professionell und diskriminierungsfrei mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt umgehen (können)“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung mehrerer Vereine der Community, unter ihnen auch die queere Lehrendengruppe „Ausgesprochen“, Es wird besser Österreich, die HOSI Linz, die HOSI Salzburg, die HOSI Tirol und die RosaLila PantherInnen.

„Unter Federführung der religiösen Hardlinerin Gudrun Kugler (ÖVP) sind ÖVP und FPÖ drauf und dran, eine wichtige Säule der Sexualpädagogik zu zerstören. Ein Ausschluss von externen Fachkräften wäre ein dramatischer Rückschritt für die Sexualpädagogik in Österreich. Nach dem TeenSTAR-Skandal gilt offenbar das Motto: Wenn keine christlich-fundamentalistischen Inhalte gelehrt werden dürfen, dann darf es auch keine Sexualaufklärung geben“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der LGBT-Vereine weiter.

Auch die Bundesjugendvertretung (BJV) kritisiert den Beschluss des Nationalrats als „bedauerlichen Rückschritt“. Sexuelle Bildung passiere meistens nur unzureichend in Biologie oder Religion. „Statt einer Verbannung von externen ExpertInnen aus dem Schulalltag, braucht es Maßnahmen zur Sensibilisierung und weitreichende Verbesserungen in der pädagogischen Ausbildung und in der Weiterbildung von LehrerInnen!“, so BJV-Vorsitzende Caroline Pavitsits.

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