Freitag, 29. März 2024
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Nationalrat fordert Ende unnötiger Operationen an intergeschlechtlichen Kindern

In Österreich betrifft dieses Thema mehr als 150.000 Menschen

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Der Gleichbehandlungsausschuss des Nationalrats beschließt heute, intergeschlechtliche Kinder vor medizinisch nicht notwendigen Operationen zu schützen – auf Initiative der Grünen LGBTIQ-Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic und in Zusammenarbeit mit Vertreter:innen der Betroffenen.

Genitalverstümmelung bei intergeschlechtlichen Kinder ist in Österreich erlaubt – und Alltag

Auch in Österreich werden Kinder, bei denen die Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig sind, oft unmittelbar nach der Geburt auf ein Geschlecht getrimmt, ohne zu wissen, ob sich die Kinder später auch mit dieser Rolle identifizieren können. Dabei kommt es zu Operationen an den Geschlechtsmerkmalen, die medizinisch nicht notwendig sind und ohne die Einwilligung der Betroffenen geschehen. Unter den physischen und psychischen Belastungen, die mit diesen menschenrechtswidrigen Operationen einhergehen, leiden die Betroffenen oft ein Leben lang.

Für intergeschlechtliche Menschen, Rechtsexpert:innen und die Europäische Kommission gelten diese Eingriffe als Genitalverstümmelung – trotzdem finden sie noch in 20 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union statt – auch in Österreich. Die Vereinten Nationen haben Österreich deshalb schon mehrere Male gerügt, zuletzt 2020 durch den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes.

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Seit fast zehn Jahren fordern Betroffene und ihre Vertreter:innen ein Verbot dieser Praxis

Seit fast zehn Jahren fordern auch die Betroffenen ein entsprechendes Verbot in Österreich. Nun sollen medizinisch nicht notwendige Behandlungen an intersexuellen Kindern und Jugendlichen auch in Österreich verboten werden, wenn es nach dem Entschließungsantrag geht, den die Grüne LGBTIQ-Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic gemeinsam mit der ÖVP heute im Gleichbehandlungsausschuss eingebracht hat. 

„Ich freue mich sehr, dass wir endlich eine Mehrheit im Österreichischen Parlament haben, die sich zum Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen bekennt. Der gemeinsame Antrag mit dem Koalitionspartner ist ein erster und wichtiger Schritt hin zum Schutz der Selbstbestimmung und der körperlichen Integrität von intergeschlechtlichen Menschen“, so Ernst-Dziedzic.

Entschließungsantrag fordert ein Verbot dieser weit verbreiteten Praxis in Österreich

„Der heutige Entschließungsantrag ist ein wichtiger Schritt, ein entsprechendes Gesetz muss folgen“, begrüßt Luan Pertl, Obmensch-Stellvertretung von der Plattform Intersex Österreich, den heute beschlossenen Entschließungsantrag. Die Plattform, der als Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ) und die HOSI Salzburg fordern ein solches Verbot bereits seit 2013.

VIMO hofft auf eine möglichst rasche und gute Umsetzung durch Justizministerin Alma Zadić und Gesundheits- und Sozialminister Wolfgang Mückstein. „Wichtig ist eine klare rechtliche Umsetzung und begleitende Maßnahmen in Zusammenarbeit mit VIMÖ als menschenrechtsbasierter Selbstvertretung und Peer-Beratungsorganisation“, betont Tobias Humer, Obmensch von VIMÖ. 

In Malta und Deutschland gibt es ein entsprechendes Verbot schon

Für Gabriele Rothuber, Obfrau und Intersex-Beauftragte der HOSI Salzburg, ist der Antrag „ein wichtiges Signal auf dem notwendigen Weg zu einem gesetzlichen Verbot von Intersex-Genitalverstümmelung (IGM)“. Denn für Betroffene sei die Grenze zwischen notwendigen, weil lebenserhaltenden, Maßnahmen und kosmetischen Genitalveränderungen oft weitaus klarer als für viele Mediziner:innen, so Rothuber.

Intergeschlechtlichkeit ist ein Sammelbegriff für hunderte körperliche Variationen der Geschlechtsmerkmale. Den Vereinten Nationen zufolge sind bis zu 1,7 Prozent der Menschen intergeschlechtlich – das wären alleine in Österreich mehr als 150.000 Menschen. Nicht bei allen wird die Intergeschlechtlichkeit gleich bei der Geburt erkannt, sondern erst im Laufe der Pubertät oder auch niemals. Malta hat diese Form der Genital-Verstümmelung bereits 2015 als erstes Land der Welt gesetzlich verboten, Deutschland folgte 2020.

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