Ein soziales Abbild der Pandemie

Durch den Lockdown sind wir auf engsten Raum mit unseren Verwandten, Partner*innen oder Mitbewohner*innen zusammengezwängt. Oder ganz alleine. Welche Auswirkungen hat das für uns alle und gerade auch für queere Personen? Zu Wort kommen eine Schülerin, die uns einen Einblick in ihre Lockdown-Situation gewährt, sowie die Psychologin Eva Lercher. Sie gibt hilfreiche Tipps für einen guten Start in das neue Jahr - mit oder ohne Lockdown.

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Soziale Wärme ist wichtiger denn je: Im Vergleich zum ersten Lockdown geht das Gemeinschaftsgefühl verloren. Zuerst wussten wir, dass wir gemeinsam in einem Boot sitzen, doch nun stellen sich viele alleine gegen den Rest der Welt. Die soziale Wärme, welche noch im ersten Lockdown zu spüren war, wird nun langsam zu einer sozialen Kälte. 

Auswirkungen der Pandemie auf unsere Psyche

„Der Lockdown alleine hat keine Auswirkungen auf die Psyche”, so die Psychologin Eva Lercher. „Die Pandemie im Allgemeinen kann jedoch eine Dysthymie, schwere Depressionen, Burnout aber auch Angststörungen auslösen. Dadurch, dass die Pandemie schon sehr lange andauert, kann es immer schlimmer werden.” Die Psychologin weist auch darauf hin, “dass Angststörungen am Beginn sehr einfach behandelt werden können, doch dadurch, dass die meisten keine Hilfe suchen, kann sich die Angststörung weiterentwickeln und intensiver werden. Zusätzlich können Altersdepressionen ansteigen und eine soziale Isolation ist schädlich für jede Altersgruppe.” 

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Outing im Lockdown

Auch Themen, die sich rund um das Outing drehen, können während dem Lockdown Probleme hervorrufen. So kann es vorkommen, dass es für queere Jugendliche nach dem Outing keine Möglichkeiten gibt, sich zum Beispiel mit Freunden zu treffen, um darüber zu reden. Oder es fehlt ihnen schlichtweg an Zufluchtsmöglichkeiten, um ihre Privatsphäre zu haben. Etwas geheim zu halten, kann durch die Nähe der Eltern auch deutlich schwerer fallen. Geheimnisse kommen ans Licht und können hin und wieder auch einen Diskurs hervorrufen. Vor allem, wenn es an Toleranz innerhalb der eigenen Familie fehlt. In diesen Zeiten ist es besonders wichtig, dass Anschlüsse an verschiedene Communities, wie zum Beispiel der, der LGBTIQ nicht abbrechen. 

Queer in der Pandemie

Gerade weil die Anlaufstellen der Community aufgrund der Pandemie nicht mehr so gut erreichbar sind, kann es umso schwerer sein, sich als queere Person auszutauschen. Sich selbst und Gleichgesinnte finden wird dadurch erschwert. Um sich der Community trotzdem nahe fühlen zu können, kann man soziale Plattformen wie TikTok nutzen. Dort kann man als „Außenseiter“ sehr leicht Anschluss finden. Gerade weil diese Videos so kurz sind, kann man Stunden mit dieser App verbringen und sich gut ablenken. Kurz aber sehr prägnant, mithilfe von Informationen oder Unterhaltung. Oft sind es diese kleinen Informationen oder Anhaltspunkte, um sich zugehörig zu fühlen. Kleine Ticks oder körperliche Auffälligkeiten zeigen, dass es ganz normal ist und es nichts zu verschweigen gibt. 

Einblick in den Alltag einer Maturantin

Auch die 19-jährige Schülerin, mit der ich mich über den Lockdown und Bewältigungsstrategien ausgetauscht habe, nutzt TikTok zur Ablenkung. So schafft sie es, dass das Thema Pandemie ihren Alltag nicht mehr so stark dominiert. Sie hat mir auch von der psychischen Belastung erzählt, mit der sie, wie so viele andere, zu kämpfen hat: “Ich werde zu weniger fähig und verliere immer mehr die Motivation”, berichtet sie. Zwar war ihr ihre herkömmliche Demotivation schon lange bekannt, aber in diesem Ausmaß war es für sie selbst schockierend. Die Schülerin flüchtete sich in Reality-TV, um sich anderen Menschen wieder näher zu fühlen und um nicht zu vergessen, was es heißt, normal zu leben. „Es war gut, da ich sowieso nicht mehr so viel Neues zu lernen hatte“, erklärt die Schülerin als einzigen positiven Nebeneffekt. Für sie war es auch wichtig, sich in die Natur zu begeben und dort mithilfe der Sonne und frischer Luft neue Energie zu tanken. Sich zu Schweiß zu zwingen und wieder Alltagsklamotten anzuziehen war ihre Rettung zur Zeit des ersten Lockdowns. Diese Erfahrungen ziehen sich bestimmt auch durch die unterschiedlichen Alters- und Berufsgruppen. Daher habe ich von der Psychologin Eva Lercher Tipps eingeholt. 

Starten wir mental fit ins neue Jahr

„Da man während dem Lockdown dauerhaft zuhause ist, ist es wichtig, das Haus zu verlassen und sich einen geregelten Tag zu gestalten, mithilfe von Zeitplänen für sich und eventuelle Kinder“, so Lercher. „Belohnungen können uns helfen das Positive zu sehen“, erklärt die Psychologin. Belohnungen können Kleinigkeiten sein, wie eine besondere Teetasse oder die liebste Bettwäsche. „Wir sagen doch oft, das mache ich, wenn ich eines Tages Zeit habe. Jetzt haben wir sie“, appelliert Lercher. Im weiteren Verlauf erzählte sie mir, dass sie das Stricken für sich entdeckte oder viele kennt, die nun vermehrt Brot backen. „Gerade in Zeiten wie diesen ist der soziale Kontakt wichtig. Egal wie, man sollte einen Weg finden. Wichtig ist es zu reden, reden und noch mehr zu reden. Dabei ist es auch wichtig, dass man das Thema akzeptiert und es sich nicht zu sehr zu Herzen kommen lässt. Man kann auch bewusst in Gesprächen anführen, dass man das Thema nicht ansprechen möchte“, so die Psychologin. Meetings via Videoanruf helfen hier fürs Erste, wobei man Möglichkeiten nutzen sollte, um sich auch sicherheitskonform zu treffen. 

„Kontrolle über den Informationsfluss und das Ausmaß, sowie auch über das eigene Leben sprechen für eine gesunde Psyche. Seriöse Quellen und Hilfe – auch wenn man im ersten Moment glaubt, dass es zu früh wäre – sind eine bessere Kontrolle“, erklärt Lercher. Sie empfiehlt auch ein Glückstagebuch zu führen: „Es ist ein einfaches Notizbuch, in dem man notiert, was einem das Gefühl Glück verschafft hat. Am Besten jeden Abend drei Dinge hineinschreiben, dabei können es banale Dinge sein, wie zum Beispiel, heute hat mir mein Kind ein Lachen mehr geschenkt, ich habe eine Person am Telefon glücklich gemacht oder ich habe heute etwas verloren geglaubtes wiedergefunden.“ Weiters ist es laut Lercher wichtig, „dass man auf sich selbst schaut und auch hin und wieder altruistische Züge ablegt und sich auf gute Weise in den Vordergrund stellt.” 

Zuletzt noch ein hilfreicher Tipp: In der Studie „Mediensucht 2020“ von der DAK Forschung vom Juli 2020 wird klar, dass viele Medien nutzen um Langeweile zu bekämpfen. Das sollte unbedingt vermieden werden, da dieser übermäßige Konsum sehr viel Schaden anrichten kann, etwa durch Falschinformationen oder Verschwörungstheorien. Laut der Psychologin wäre dies der psychischen Gesundheit nicht dienlich.

Wenn du dich mit deinen Problemen alleine fühlst und dir Unterstützung wünschst, wende dich an eine dieser Anlaufstellen in Österreich
Psychiatrische Soforthilfe: 01 313 30
Telefonseelsorge: 142
Psychologischer Berufsverband: 01 504 8000
Ö3-Kummernummer: 116123
Frauenhelpline: 0800 222 555
Kriseninterventionszentrum: 01 406 9595
RosaLila PantherInnen Graz: 0316 36 66 01
HOSI Wien: 01 216 66 04
Rat auf Draht: 147
Kostenpflichtige Psychologische Beratung: instahelp.me 

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Dieses Interview erschien zuerst in das Querformat – Magazin für eine offene und tolerante Gesellschaft und ist nun im Rahmen einer Kooperation auch auf GGG.at zu lesen.