Freitag, 3. Mai 2024
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Queerfeindliche Anschläge in Berlin: 63-jähriger Rentner geständig

In den letzten Tagen hat es in Berlin mehrere queerfeindliche Anschläge gegeben. Nun hat die Polizei einen 63 Jahre alten Mann festgenommen. Er hat die Taten gestanden.

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Es war eine Welle mehrerer queerfeindlicher und antisemitischer Anschläge, die Berlin in den letzten Tagen in Atem hielt. Nun ist klar: Es steckte immer der gleiche Mann dahinter.

Zwei Anschläge auf Gedenkorte von Opfern der Nationalsozialisten

So gab es am Samstag einen Anschlag auf das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen im Tiergarten: Ein brennender Gegenstand wurde auf das Denkmal geworfen und zwei mit „Kassandros“ unterzeichnete Zettel an dem Denkmal angebracht, darunter einer mit einem Bibelzitat, das häufig für LGBTI-feindliche Propaganda missbraucht wird. Das Denkmal wurde dabei nicht beschädigt

Ebenfalls am Samstag gab es einen Brandanschlag auf die „Bücherboxx“, eine zum Bücherschrank umfunktionierte Telefonzelle am Gleis 17 in am Berliner Bahnhof Grünewald – jenem Gleis von dem Nationalsozialisten zahlreiche jüdische Mitbürger:innen in die Vernichtungslager schickten. Die Box brannte dabei völlig aus, bei den verbrannten Büchern handelte es sich größtenteils um Literatur über die Verfolgung, Deportation und Ermordung fast aller Berliner Juden in der Nazizeit.

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Queerbeauftragter vermisste „Aufschrei der Zivilbevölkerung“

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Berlin-Brandenburg zeigte sich am Samstag über die „volksverhetzende Energie beider Taten“ schockiert. Der Berliner Queerbeauftragte Alfonso Pantisano vermisste in diesem Zusammenhang „einen Aufschrei und die Solidarität der Zivilgesellschaft“. „Es ist wichtig, ein Zeichen zu setzen und Geschlossenheit zu zeigen“, meinte auch der Berliner Finanzsenator Stefan Evers von der CDU.

Am Montag wurde schließlich versucht, die Räume von „Rad und Tat“ (RuT), einer Initiative lesbischer Frauen im Stadtteil Neukölln, in Brand zu setzen. Passant:innen bemerkten gegen 4.00 Uhr früh ein zerstörtes Schaufenster, im Innenraum lagen verbrannte und verkohlte Flugblätter und Broschüren.

Die Polizei konnte den 63-Jährigen zu Hause festnehmen

Bereits zuvor hatten Recherchen der tageszeitung (taz) ergeben, dass es sich um einen Serientäter handeln dürfte. So gab es an der „Bücherboxx“ einen Zettel mit wirrem, antisemitischem Inhalt und diesem Bibelzitat, der mit „Kassandos“ unterschrieben war. Bei dem Anschlag auf das Denkmal gab es zwei Zettel mit der Unterschrift „Kassandros Berolinensis“.

Nun wurde diese Vermutung bestätigt: Wie der Tagesspiegel berichtet, habe die Polizei gestern Nachmittag einen 63 Jahre alten Mann in seiner Wohnung am Baumschulenweg in Treptow-Köpenick festgenommen. Er habe die Taten, die sich zwischen dem 12. und 14. August in Berlin ereignet hatten, gestanden.

„Mit Blick auf diese besorgniserregende Anschlagsserie und den damit verkündeten Ermittlungserfolg macht sich in der queeren Community Dankbarkeit und Erleichterung breit“, kommentierte Pantisano die Festnahme, nahm aber auch in dieser Stellungnahme die Zivilgesellschaft nicht aus der Verantwortung.

Hat der Verdächtige noch weitere Taten begangen?

Die taz vermutet allerdings, dass die Serie nicht nur drei, sondern mindestens acht rassistische, antisemitische oder queerfeindliche Taten umfasst, die in Berlin registriert wurden. So seien etwa Anfang Jänner die Scheiben von zwei Bushaltestellen eingeschlagen worden, um dort hängende City Lights gegen queerfeindliche Hassrede zu zerstören. Auch hier tauchte der Begriff „Kassandros“ auf.

Zu den weiteren Taten, die dem 63-Jährigen zugerechnet werden könnten, zählen unter anderem ein Anschlag auf einen Kindergarten mit antirassistischer Einstellung in Treptow-Köpenick und Schreiben an einem linken Informationszentrum in Neukölln. 

Es ist nicht das erste Mal, dass eigenwillige Senioren in Berlin gegen Diversität in der Stadt aktiv werden: Bereits im Jahr 2021 hatte ein Pensionist zehn Anschläge auf das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen gestanden.

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