Donnerstag, 18. April 2024
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3. Geschlecht: Community fordert rechtmäßigen Erlass vom Innenministerium

Wechsel des Geschlechts soll einfach und unbürokratisch gehen, fordern die Aktivistinnen und Aktivisten

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Kritik daran, wie das ÖVP-geführte Innenministerium mit Eintragungen für das dritte Geschlecht umgeht, kommt heute von 64 Organisationen aus dem queeren, sozialen oder sozialpädagogischen Bereich. Sie fordern in einem offenen Brief eine Rücknahme des Erlasses, den der damalige Innenminister Herbert Kickl von der FPÖ im Dezember 2018 ausgegeben hat – und der, obwohl verfassungswidrig, bis heute in Kraft ist.

Klare Worte vom Verfassungsgericht – die bis jetzt vom Innenministerium ignoriert wurden

Im Juni 2018 hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) den dritten Geschlechtseintrag für alle Menschen, die sich nicht als Mann oder Frau identifizieren, anerkannt. Daraufhin musste das damals von den Freiheitlichen geführten Innenministerium die Details klären – und tat dies äußerst restriktiv. So haben derzeit nur jene Personen Anspruch auf den Geschlechtseintrag „divers“, die durch ein medizinisches Gutachten belegen können, dass bei ihnen eine Variante der Geschlechtsentwicklung gegeben sei.

Das widerspricht der Entscheidung des VfGH: Dieser hat festgestellt, dass Menschen nur „jene Geschlechtszuschreibungen durch staatliche Regelung akzeptieren müssen, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen.“ Im Februar 2020 hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den derzeitig gültigen Erlass als nicht bindend eingestuft. Weiters hat das Gericht in Linz bestätigt, dass auch die Option „inter“ für das dritte Geschlecht rechtens sei.

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Im ÖVP-geführten Innenministerium sieht man keinen Handlungsbedarf

Im aktuellen Regierungsprogramm ist festgelegt, dass die Richtlinien für dritte Option gemäß der Entscheidung des VfGH repariert werden sollen – doch bis jetzt ist hier nicht viel geschehen. In einer Anfragebeantwortung der Neos vom 14. April verteidigte Innenminister Karl Nehammer von der ÖVP den bestehenden Erlass als „verfassungskonform“. Auch, dass eine Kommission bestimmen soll, wer intergeschlechtlich sein darf, findet der ÖVP-Politiker in Ordnung. Dass es diese Kommission gar nicht gebe, falle nicht in seinen Zuständigkeitsbereich, so der Minister lapidar.

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Nun melden sich 64 Organisationen, die sich gegen Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsmerkmalen oder der Geschlechtsidentität aussprechen, in einem offenen Brief an das Innenministerium und den zuständigen Minister Karl Nehammer. Sie fordern unter anderem, dass der dritte Geschlechtseintrag allen Menschen einfach und unbürokratisch offen stehen soll, unabhängig von medizinischen Gutachten – wie es der VfGH wiederholt festgestellt hat. Außerdem soll auch der Eintrag „inter“ zur Wahl stehen, auch soll ein mehrmaliges Wechseln des Geschlechtseintrages einer Person möglich sein.

64 Organisationen fordern: „Betroffene Personen brauchen einen Eintrag, der ihrer Identität entspricht“

„Betroffene Personen brauchen einen Eintrag, der ihrer Identität entspricht und nicht ihre Körperlichkeit medizinisch begutachtet und diagnostiziert“, ist ihre klare Forderung. Zu den Organisationen, die diesen offen Brief unterzeichneten, zählen neben VIMÖ Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich und der Plattform Intersex Österreich auch sämtliche HOSIs, SoHo, Grüne Andersrum Salzburg und Neos, fünf Aids-Hilfen oder die Beratungsstelle Courage.

„Es ist eine Schweinerei, dass Menschen gezwungen werden, quasi die Hosen runterzulassen, um einfach nur einen richtigen Ausweis zu bekommen“, so Moritz Yvon, Obmann der HOSI Wien: „Das ist eine ebenso unnötige wie willkürliche Demütigung, und es ist eine Schande, dass Innenminister Nehammer den unsäglichen Kickl-Erlass nicht korrigiert.“

Die Politik unterstützt diese Forderungen: „Höchstgerichtliche Entscheidungen sind einzuhalten, ohne Wenn und Aber. An der Reparatur des Kickl-Erlasses führt kein Weg vorbei“, so die Grüne LGBTI-Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic. Die mit der ÖVP verhandelte Umsetzung der VfGH-Entscheidung müsse nun umgesetzt werden. „Es braucht endlich einen barrierefreien Zugang zur 3. Option, ohne Pathologisierung und ohne bürokratische Hürden“, ergänzt Mario Lindner, Bundesvorsitzender der sozialdemokratischen LGBTI-Initiative SoHo.

„Herbert Kickl hat mit einer Verordnung die Eintragung als drittes Geschlecht massiv erschwert, indem er eine fachmedizinische Begründung durch ein multi-medizinisches Board verlangte. Das ist reine Schikane und Blockade eines Höchstgerichtsurteils, das der FPÖ ideologisch nicht passte. Dass ein ÖVP-Innenminister genauso verbohrt ist, ist erschreckend“, kommentiert Yannick Shetty, LGBTIQ+-Sprecher der Neos den offenen Brief.

Auch der Europarat fordert in seinem aktuellen Länderbericht zu Österreich die Absicherung der Rechte intersexueller Menschen – besonders, dass Minderjährige keiner geschlechtsangleichenden Operation unterzogen werden dürfen.

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