Freitag, 19. April 2024
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„Nicht schwul genug für Asyl“: Scharfe Kritik aus der Community

„Die irrste Abschliebe-Begründung Europas“ - doch das Innenministerium verteidigt sie

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Internationale Aufmerksamkeit erreichte der Fall eines 18-jährigen Afghanen, dessen Asylantrag abgewiesen wurde, weil er dem zuständigen Sachbearbeiter nicht schwul genug vorkam. Nun reagieren auch Politik und Community.

Die abstruse Begründung des Asylamtes sorgte auch international für Kopfschütteln

Es war ein Schock für den 18-Jährigen, als er seinen negativen Asylbescheid zugestellt bekam: „Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeutet, dass Sie homosexuell sein könnten“, heißt es in dem Schreiben, aus dem die Wiener Stadtzeitung Falter in ihrer aktuellen Ausgabe zitiert.

Mittlerweile hat der Fall auch international hohe Wellen geschlagen. Medien wie der Spiegel, die Süddeutsche Zeitung oder der britische Guardian berichteten in ihren Online-Ausgaben über den Fall – mit Kopfschütteln darüber, dass solche zynischen Begründungen tatsächlich in einem Asylbescheid stehen können. Die Bild-Zeitung nennt es sogar „die irrste Abschliebe-Begründung Europas“.

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HOSI Wien kritisiert Asylamt – und Innenminister Kickl

Nun haben sich auch Politik und Community eingeschaltet. „Wie viel Klischee darf’s denn sein? Muss er als nächstes ‚Over the Rainbow‘ rückwärts singen können?“, ärgert sich Moritz Yvon, Obmann der HOSI Wien: „So eine Begründung ist grotesk. Dieses Sammelsurium von Klischees ist vieles, aber ganz sicher keine sachliche Prüfung des Asylgrundes. Diese Begründung blamiert Österreich international, und das während der EU-Ratspräsidenschaft und nicht einmal ein Jahr vor der EuroPride 2019. Wir fragen daher das Innenministerium: Entspricht das den Richtlinien, die sie den Mitarbeiter*innen im BFA beibringen? Oder kümmert sich hier jemand mehr um die vermeintlichen Wünsche von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl statt um eine dem Fall angemessene Vollziehung der Gesetze?“

Nationalratsabgeordneter Mario Lindner, Bundesvorsitzender der sozialdemokratischen LGBT-Organisation SoHo ist schockiert: „Monat für Monat erfahren wir von mehr als grenzwertigen Begründungen für negative Asylbescheide. Da man anscheinend wirklich nicht mehr von Einzelfällen sprechen kann, ist ein massives Versagen des Innenministeriums in der Sicherstellung fairer Asylverfahren zu befürchten.“

Auch SPÖ, Grüne und Liste Pilz sind über die Begründung entsetzt

Die Begründung des Asylamtes, den Antrag abzulehnen, „strotzt nur so von Vorurteilen und schwulenfeindlichen Klischees. Solche Aussagen würde unsere Gesellschaft von keinem Komiker akzeptieren – im Bescheid über die Zukunft eines geflüchteten Menschen haben sie also schon gar nichts verloren!“, so Lindner weiter.

Ähnlich äußert sich auch die Grüne Bundesrätin Ewa Dziedzic auf Twitter: „Die aktuelle türkis-blaue Regierung katapultiert Österreich um mindestens 30 Jahre zurück. Atmosphärisch um mindestens 80“, schreibt sie.

„Solche klischeehaften Vorstellungen über Homosexualität haben im 21. Jahrhundert nichts verloren, schon gar nicht in einem offiziellen Bescheid eines Bundesamtes. Wer über Leben und Tod eines Menschen entscheidet, muss über Vorurteile erhaben sein“, betonen auch Maria Stern und Lukas Schwarz von der Liste Pilz.

Das Innenministerium verteidigt die klischeehafte Begründung ihres Beamten weiterhin

Das zuständige Innenministerium verteidigt die Entscheidung seines Beamten. Gegenüber Bild wollte man den Einzelfall zwar nicht kommentieren – man könne aber „objektiv betrachtet auch nicht als gegeben hinnehmen, dass die betreffende Person tatsächlich homosexuell sei“, so ein Sprecher.

Der Afghane hat gegen den Bescheid mittlerweile übrigens Berufung eingelegt.

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